Justitia Statue
Justitia Statue in der Großstadt (Foto: © Alexander Limbach – stock.adobe.com)

„Auto-Kidnapping“ Auto nur gegen Geld – welche Strafe droht und wie soll ich mich als Betroffener verhalten?

12.07.2023 | Strafrecht

Rechtsgebiet: Vermögensdelikte
Zuständiger Rechtsanwalt: Benjamin Grunst

Kaum etwas ist den Deutschen wichtiger als ihr Auto. Es dient als Statussymbol, sichert Flexibilität und Freiheit. Doch obwohl die Deutschen ihr Auto so lieben und pflegen, wurden im Jahr 2021 allein in Berlin 73.000 Autos abgeschleppt.

Nicht immer erfolgen die Abschleppmaßnahmen rechtmäßig:
Autos werden ohne Verstoß und Auftrag abgeschleppt und den Haltern nur nach Zahlung eines Geldbetrages herausgegeben.

Das sog. „Auto-Kidnapping“ ist gerade vor allem in Berlin angekommen.

Wie nun bekannt wurde, hat eine Abschleppfirma im Juni innerhalb einer Woche insgesamt 58 Autos abgeschleppt und jedes Mal eine Gebühr von 476 EUR verlangt. Das Abschleppen der Autos erfolgte, ohne dass diese überhaupt verkehrswidrig geparkt wurden.

Mache ich mich mit „Auto-Kidnapping“ strafbar?

Die Entführung eines Menschen und die Forderung von Lösegeld kann nach § 239a StGB als sog. Erpresserischer Menschenraub strafbar sein.

 

Aber wie sieht das bei der „Entführung“ eines Autos aus?

Das unrechtmäßige Abschleppen eines Autos ist nicht strafbar.

Insbesondere eine Strafbarkeit wegen Diebstahls nach § 242 StGB scheidet aus. Das Abschleppunternehmen will das Auto nicht dauerhaft dem Besitzer entziehen, was jedoch Voraussetzung für einen Diebstahl ist.

Beim „Auto-Kidnapping“ ist die Herausgabe des Autos bzw. die Bekanntgabe des Standorts nur gegen die Zahlung eines Geldbetrages strafbar. Dabei steht vor allem der Straftatbestand der Erpressung nach § 253 StGB im Raum.

Nach § 253 Abs. 1 StGB macht sich strafbar, wer einen Menschen rechtswidrig mit Gewalt oder durch Drohung mit einem empfindlichen Übel zu einer Handlung, Duldung oder Unterlassung nötigt und dadurch dem Vermögen des Genötigten oder eines anderen einen Nachteil zufügt, um sich oder einen Dritten zu Unrecht zu bereichern.

Wegen Betruges nach § 263 Abs. 1 StGB werden Sie, entgegen der Darstellung in den Medien, in der Regel nicht bestraft. Mit der Strafbarkeit wegen Erpressung das Unrecht der Täuschung in vollen Umfang erfasst, sodass die Strafbarkeit wegen Betruges entfällt.

Welche Strafe droht für „Auto-Kidnapping“?

Grundsätzlich wird Erpressung gem. § 253 StGB mit einer Geldstrafe oder einer Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren bestraft.

In sogenannten  (§ 253 Abs.4 StGB) besonders schweren Fällen ist eine Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr zu erwarten.

Dies kann der Fall sein, wenn gewerbsmäßig oder als Mitglieder einer Bande gehandelt wurde.

Sie handeln gewerbsmäßig, wenn Sie die Tat wiederholt begangen haben, um sich Einnahmen zu verschaffen. Die Einnahmen müssen einen bestimmten Umfang aufweisen und sich über einen gewissen Zeitraum erstrecken. Genaue Angaben für den dafür vorausgesetzten Umfang und die Dauer können nicht gemacht werden. Dies ist vom Einzelfall abhängig.

Sie handeln als Mitglied einer Bande, wenn Sie sich mit mindestens zwei weiteren Personen zusammengeschlossen haben, um für einen gewissen Zeitraum wiederholt Erpressungen (z.B. im Rahmen des „Auto-Kidnappings“) zu begehen. Dabei müssen Sie bei Tatbegehung nicht einmal am Tatort sein.

Unter bestimmten Voraussetzungen kann eine Freiheitsstrafe, die zwei Jahre nicht übersteigt, zur Bewährung ausgesetzt werden.

Was soll ich bei Erhalt einer Vorladung wegen Erpressung tun?

Bei Erhalt einer Vorladung von der Polizei ist Ruhe zu bewahren und zu schweigen. Sie haben als Beschuldigter das Recht zu schweigen. Einer Vorladung als Beschuldigter müssen Sie, trotz des Anscheins, nicht folgen!

Zögern Sie nicht und kontaktieren Sie uns, um sich ausführlich beraten zu lassen und das weitere Vorgehen zu besprechen.

Die Frage, ob ein besonders schwerer Fall vorliegt und damit eine Freiheitsstrafe ausgesprochen wird, hängt oftmals von Feinheiten und Details ab. Dieser zu erkennen bedarf juristischer Fachkenntnis und Erfahrung.

Muss ich bezahlen, wenn mein Auto abgeschleppt wurde?

Grundsätzlich muss der Halter die Kosten für die Abschleppmaßnahmen bezahlen.

Sowohl die Polizei und das Ordnungsamt als auch Privatpersonen können eine Abschleppfirma beauftragen.

Autos werden durch die Polizei bzw. das Ordnungsamt – verallgemeinert ausgedrückt –  abgeschleppt, wenn eine konkrete Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung besteht und dadurch insbesondere Verkehrsgefährdungen oder -behinderungen zu befürchten sind.

Privatpersonen, wie zum Beispiel Supermarktinhaber, können Autos von ihrem Privatgrundstück abschleppen lassen.

Bei jeder Abschleppmaßnahme ist der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu beachten. Das bedeutet, dass vor der Abschleppmaßnahme vor allem andere, mildere Mittel in Betracht gezogen werden müssen. Hierzu kann unter Umständen (muss aber nicht immer) das Kontaktieren des Fahrers bei Hinterlassen der Handynummer oder das Abwarten einer gewissen Zeit gehören.

Die Kosten einer unrechtmäßigen Abschleppmaßnahme müssen Sie nicht bezahlen.

Muss ich auch bezahlen, wenn ich während des Abschleppens zu meinem Auto zurückkomme?

Die Kosten für eine Leerfahrt der Abschleppfirma haben Sie bei einem einmal eingeleiteten Abschleppvorgang Ihres Autos zu tragen. Die Erhebung einer Verwaltungsgebühr ist rechtmäßig (vgl. OVG NRW, Beschluss vom 18. Februar 2003 – 5 A 4183/03). Durch die Anfahrt des Abschleppunternehmers fällt bereits ein Teil der Kosten an, die auch bei einem durchgeführten Abschleppvorgang angefallen wären.

Wie hoch sind die Abschleppkosten?

Die Höhe des Geldbetrages, den eine private Abschleppfirma verlangen darf, ist nicht vorgegeben. Eine Preisliste gibt es nicht. Die Höhe variiert und orientiert sich an dem Betrag, den der Betroffene für das Abschleppen bezahlen würde, wenn er vor Ort zum Beispiel mit seinem Auto liegen bleibt. Zu hohe Abschleppkosten muss man nicht bezahlen! (BGH Urt. v. 04.07.2014, Az. V ZR 229/13) Daher ist zu raten, sich bei Zweifeln an der Höhe über die lokalen Abschleppkosten zu informieren.

In Berlin kostet das Umsetzen eines verkehrswidrig abgestellten Autos, wie das Abschleppen von Falschparkern genannt wird, durch die Polizei 188 EUR, durch die BVG 144 EUR und durch das Ordnungsamt 225 EUR. Siehe: https://www.berlin.de/polizei/aufgaben/bussgeldstelle/kfz-umsetzung/

Wie sollte ich mich verhalten, wenn mein Auto abgeschleppt wurde?

Grundsätzlich ist ein Anruf bei der Polizei der richtige Weg.

Doch was gilt, wenn die Abschleppmaßnahme im privaten Auftrag durchgeführt wurde?

Die privat beauftragten Abschleppfirmen können sich bei der „Auskunfts- und Fahndungsstelle“ der Polizei melden, sobald sie ein Auto abgeschleppt haben.

Auf Nachfrage gibt die Polizei dem Betroffenen dann Auskunft darüber, ob und von welcher Firma das Auto abgeschleppt wurde.

Damit kann man die Abschleppfirma kontaktieren.

Warum hilft sogar die Polizei unfreiwillig?

Allerdings ist zu beachten, dass die Polizei nicht prüft, ob das Auto rechtmäßig abgeschleppt wurde. Damit ist nicht ausgeschlossen, dass die Firma Ihr Auto ohne Auftrag abgeschleppt hat.

Die Auskunft bei der „Auskunfts- und Fahndungsstelle“ der Polizei bedeutet nicht, dass das Abschleppen überhaupt rechtmäßig war.

Wie gehe ich bei dem Verdacht des „Auto-Kidnapping“ auf Nummer sicher?

Sie können bei der Abschleppfirma zum Beispiel eine detaillierte Rechnung anfordern. Außerdem können Sie die Seriosität der Abschleppfirma anhand einer Internetsuche prüfen.

Sie können sich einen Nachweis dafür zeigen lassen, ob und wer den Auftrag für das Abschleppen erteilt hat. Den Auftraggeber können Sie dann kontaktieren. Damit können Sie überprüfen, ob die Angaben der Abschleppfirma zutreffen und der Auftrag wirklich erteilt wurde.

Werden Sie misstrauisch, wenn Sie von der Abschleppfirma nur mittels WhatsApp kontaktiert werden oder die Forderung Ihnen viel zu hoch erscheint.

Muss ich sofort vor Ort bezahlen?

Bei Zweifeln an der Rechtmäßigkeit der Abschleppmaßnahme gilt es erstmal Ruhe zu bewahren und nicht voreilig den Geldbetrag zu überweisen.

Die Rechnung muss nicht sofort bezahlt werden! Zwar ist es zulässig, die Bekanntgabe bzw. Herausgabe des Autos von der Zahlung abhängig zu machen. Allerdings können Sie, bevor Sie zahlen, weitere Schritte unternehmen, um die Seriosität der Abschleppfirma zu prüfen. Lassen Sie sich nicht von dem hohen Zeitdruck verunsichern!

Sie können den Betrag beim zuständigen Amtsgericht als Sicherheitsleistung hinterlegen. Mithilfe eines Hinterlegungsscheins hat Ihnen die Abschleppfirma mitzuteilen, wo sich Ihr Auto befindet. Sie stimmen nur der Auszahlung des Betrages zu, den Sie für angemessen erachten. Sie können auch die Auszahlungen der gesamten Summe verweigern. Den Rest oder den gesamten Betrag muss die Firma mittels Klage einfordern. Sodann wird geprüft, ob und in welcher Höhe der Abschleppfirma überhaupt einen Anspruch zusteht.

Wenn Sie Ihr Auto schnellstmöglich benötigen, können Sie den Geldbetrag unter – am besten schriftlichem – Vorbehalt an die Abschleppfirma überweisen. Lassen Sie sich die Zahlung bei Barzahlung quittieren. Nach Prüfung der Rechtslage können Sie den zu viel gezahlten Betrag wieder herausverlangen.

Eine genaue Einschätzung Ihres konkreten Falles ist an dieser Stelle natürlich nicht möglich. Die rechtliche Beurteilung hängt von den konkreten Umständen des Einzelfalles ab. Feinheiten und Details können hier einen erheblichen Unterschied machen.

Es empfiehlt sich daher, sich an einen spezialisierten Anwalt für Strafrecht zu wenden. Dieser weiß, worauf bei der rechtlichen Beurteilung eines Geschehens zu achten ist.

Ein Anwalt für Strafrecht kann Ihnen auch bereits bei der Erstellung einer Strafanzeige behilflich sein. Nähere Informationen hierzu finden Sie hier »

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