Konkurrenzen bei der Verurteilung wegen
Herstellen und Besitz von Kinderpornographie
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Wenn der Täter daneben noch weitere verbotene kinderpornographische Schriften besitzt, die er nicht selbst hergestellt hat, kann er diesbezüglich nicht tatmehrheitlich verurteilt werden. Dies hat der Bundesgerichtshof in einem Beschluss vom 29. November 2023 (3 StR 301/23) festgestellt.
Welches Geschehen lag der Entscheidung des BGH zugrunde?
Das Landgericht Düsseldorf hat den Angeklagten wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern in Tateinheit mit dem Herstellen kinderpornographischer Schriften, wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern, davon in drei Fällen in Tateinheit mit Herstellen kinderpornographischer Schriften, wegen Herstellens kinderpornographischer Schriften sowie wegen Besitzes kinderpornographischer Schriften zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt. Der Angeklagte verwahrte in seiner Wohnung mehrere Datenträger mit 573 Bilddateien und 40 Videodateien kinderpornographischen Inhalts auf. Unter diesen befanden sich zum Teil auch Dateien, die von ihm im Rahmen des sexuellen Missbrauchs hergestellt worden sind. Das Landgericht Düsseldorf hat den Besitz der Datenträger als zu den vorherigen Taten in Tatmehrheit stehende selbständige Tat des Angeklagten gewertet.
Was sind Konkurrenzen im Strafrecht?
Bei den Konkurrenzen geht es um das Verhältnis von mehreren Gesetzesverletzungen eines Täters zueinander. Die Konkurrenzen spielen im Strafrecht immer dann eine Rolle, wenn der Täter mit einer Handlung mehrere Straftatbestände oder einen Straftatbestand mehrmals verwirklicht hat. Dann kann es sein, dass der Täter nicht hinsichtlich aller Gesetzesverletzungen verurteilt werden kann. Dabei spielen insbesondere die Begriffe der Tatmehrheit und der Tateinheit eine große Rolle.
Was bedeutet es, wenn zwei Straftaten in Tatmehrheit zueinanderstehen?
Bei der Tatmehrheit werden mehrere Straftatbestände oder der gleiche Straftatbestand mehrmals durch mehrere selbständige Handlungen verletzt. Für jede Handlung werden dann einzelne Strafen festgesetzt, die zu einer Gesamtstrafe zusammengefasst wird. Um die Gesamtstrafe zu bilden wird die schwerste der zuvor gebildeten Einzelstrafen herangezogen und unter einer Gesamtwürdigung aller relevanten Umstände erhöht. Dabei darf die Gesamtstrafe die Summe der Einzelstrafen aber nicht erreichen.
Was bedeutet es, wenn Straftaten in Tateinheit zueinanderstehen?
Bei Tateinheit verwirklicht dieselbe Handlung mehrere Straftatbestände oder einen Straftatbestand mehrmals. Im Fall der Tateinheit bestimmt sich die Strafe ausschließlich nach dem Gesetz, das die schwerste Strafe androht. Tateinheit wird auch als Idealkonkurrenz bezeichnet. Voraussetzung für Tateinheit ist das Vorliegen einer Handlungseinheit. Dies ist immer dann gegeben, wenn ein Handlungsentschluss zu einer Willensbetätigung führt sowie wenn von einem einheitlichen Handlungsentschluss mehrere zeitlich und räumlich eng begrenzte Taten ausgehen. Neben dieser natürlichen Handlungseinheit kann auch aufgrund einer Verklammerung eine Handlungseinheit angenommen werden.
Was bedeutet es, wenn Delikte miteinander verklammert werden können?
Nach der Rechtsprechung wird durch das Verklammerungsprinzip Handlungseinheit angenommen, wenn zwei selbständige strafrechtliche Handlungen jeweils mit einem Dauerdelikt in Tateinheit stehen. Voraussetzung hierfür ist aber, dass das dritte Delikt annähernd wertgleich ist. Das verklammernde Delikt muss nach der Rechtsprechung zu mindestens einem der zu verbindenden Delikte einen gleichwertigen oder höheren Unrechtsgehalt aufweisen. Dies hat zur Folge, dass trotz Vorliegens mehrerer selbständiger Handlungen Tateinheit angenommen werden kann. Dies wiederum wirkt sich im Hinblick auf die Strafhöhe günstig aus.
Wann macht man sich wegen eines Delikts strafbar, wird deswegen aber faktisch nicht bestraft?
Verwirklichte Straftatbestände können im Rahmen der Konkurrenzen von anderen Straftatbeständen verdrängt werden.
Dies kann aus Gründen der
- Spezialität,
- Subsidiarität oder
- Konsumtion
geschehen. Spezialität liegt vor, wenn ein Delikt zwingend auch alle Tatbestandsmerkmale eines anderen Delikts enthält. Eine gefährliche Körperverletzung verdrängt zum Beispiel die einfache Körperverletzung.
Von Subsidiarität spricht man, wenn eine Strafvorschrift nur hilfsweise anwendbar ist, wenn eine andere Norm nicht einschlägig ist. Zum Teil ist dies ausdrücklich geregelt. Daneben kann sich dies daraus ergeben, dass verschieden intensive Angriffsarten auf dasselbe Rechtsgut vorliegen.
Eine Konsumtion liegt hingegen vor, wenn ein bestimmter Straftatbestand neben einem anderen üblicherweise mitverwirklicht ist. So treten bei einem Wohnungseinbruchsdiebstahl grundsätzlich die typischerweise mitverwirklichte Sachbeschädigung sowie der Hausfriedensbruch zurück.
Entscheidung des Bundesgerichtshofs – wie stehen Besitz und Herstellen von Kinderpornographie zueinander?
Nach Ansicht des Bundesgerichtshofs ist die Entscheidung des Landgerichts Düsseldorf falsch. Es ist zwar richtig, dass der gleichzeitige Besitz verschiedener Datenträger mit kinderpornographischen Schriften nur eine Tat darstellt. Allerdings werden die verschiedenen Taten des Herstellens der kinderpornographischen Schriften, welche in Tatmehrheit zueinanderstehen, durch den Besitz der kinderpornographischen Schriften nicht zu einer Tat verklammert. Aufgrund der erheblich unterschiedlichen Strafdrohungen fehlt es an der erforderlichen annähernden Wertgleichheit der Delikte. Während das Herstellen von kinderpornographischen Schriften mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren bestraft wird, droht für den Besitz kinderpornographischer Schriften nur eine Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu fünf Jahren [Achtung neue Rechtslage: inzwischen wird das Herstellen von Kinderpornographie grundsätzlich mit einer Freiheitsstrafe zwischen 6 Monaten und 10 Jahren bestraft und für das Besitzen von Kinderpornographie droht grundsätzlich eine Freiheitsstrafe zwischen 3 Monaten und 5 Jahren]. Die Konsequenz ist laut Bundesgerichtshof, dass der Angeklagte bei gleichzeitigem Besitz von selbst hergestellten kinderpornographischen Schriften und weiterem, darüberhinausgehend gespeichertem verbotenem Material, nicht tatmehrheitlich wegen Besitzes kinderpornographischer Schriften verurteilt werden kann.
Mit der vorliegenden Entscheidung hat der Bundesgerichtshof zum einen das Verhältnis des Herstellens kinderpornographischer Schriften mit dem Besitz dieser hergestellten kinderpornographischen Schriften klargestellt. Der Besitz von Kinderpornographie wird nach Ansicht des 3. Strafsenats des Bundesgerichtshofs vorliegend nicht im Rahmen einer Subsidiarität durch das Herstellen der Schriften verdrängt. Vielmehr steht er in Fällen wie dem Vorliegenden in Tateinheit daneben. Wenn der Besitz der kinderpornographischen Schriften in zeitlicher oder quantitativer Hinsicht über den für das Herstellen erforderlichen Besitz hinausgeht, tritt das Dauerdelikt des verbotenen Besitzes kinderpornographischer Schriften tateinheitlich neben das jeweilige Herstellungsdelikt. Dabei liegt dem verbotenen Besitz mehrerer kinderpornographischer Schriften ein einheitlicher Verstoß gegen 184 b Abs. 3 StGB zu Grunde. Eine Verdrängung des Besitzes wegen Subsidiarität erfolgt nur dann, wenn sich der Täter sich unmittelbar nach der Herstellung des Besitzes entledigt.
Des Weiteren hat der Senat das Verhältnis des Besitzes eigener hergestellter kinderpornographischer Schriften zum Besitz fremder kinderpornographischer Schriften geklärt. Bei gleichzeitigem Besitz von hergestellten kinderpornographischen Schriften und weiterem, darüberhinausgehend gespeicherten Material, kann der Täter hinsichtlich des weiteren Materials nicht eines tatmehrheitlich begangenen Besitzes kinderpornographischer Schriften schuldig gesprochen werden.
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