Jugendgerichtshilfe

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Sollte ich zum Termin bei der Jugendgerichtshilfe gehen? Hat die Jugendgerichtshilfe eine Schweigepflicht? Können Aussagen bei der Jugendgerichtshilfe im Strafprozess gegen mich verwendet werden?

Der Begriff der Jugendgerichtshilfe (oder Jugendhilfe im Strafverfahren) bezeichnet einen Aufgabenbereich des Jugendamtes in jugendgerichtlichen Verfahren. Die Jugendgerichtshilfe muss aufgrund gesetzlicher Vorschriften (§ 38 JGG, § 52 SGB VIII) von dem Jugendgericht herangezogen werden. Sie bringt soziale und auch erzieherische Gesichtspunkte in das Strafverfahren ein. Die Jugendgerichtshilfe wirkt in Verfahren gegen Jugendliche (zur Tatzeit 14 Jahre bis unter 18 Jahren alt) und Heranwachsende (zur Tatzeit zwischen 18 Jahre bis unter 21 Jahre alt) mit.

Soll ich als Beschuldigter zum Termin bei der Jugendgerichtshilfe gehen?

Die Jugendgerichtshilfe erhält bei Einleitung eines Ermittlungsverfahrens gegen einen Jugendlichen oder Heranwachsenden durch die Polizei, die Staatsanwaltschaft oder das Gericht Kenntnis. Die Mitarbeiter laden den Beschuldigten dann zu einem Gespräch ein. Eine Teilnahme an diesem Gespräch ist freiwillig. Bei dem Gespräch werden die Verhältnisse des Beschuldigten im Hinblick auf seine Persönlichkeit, seine Entwicklung und seine familiären Verhältnisse besprochen.
Dieses Gespräch dient der Jugendgerichtshilfe zur Erstellung ihres Berichtes und ihrer Empfehlung, die sie in der Verhandlung dem Gericht darlegt.

An dieser Empfehlung orientiert sich das Gericht regelmäßig, sodass die Teilnahme an einem Gespräch durchaus sinnvoll sein kann. Verpflichtend ist die Teilnahme aber nicht.

Ob es Sinn macht, zu dem Termin bei der Jugendgerichtshilfe zu erscheinen oder ob es mehr Sinn macht, diesen auszulassen, sei wohl überlegt. Schon an diesem Punkt macht es Sinn, sich anwaltlichen Rat einzuholen. Ein Anwalt für Jugendstrafrecht ist spezialisiert, hat Erfahrung mit Strafverfahren gegen Jugendliche und kann daher am besten abschätzen, ob es in Ihrem Fall Sinn macht den Termin bei der Jugendgerichtshilfe wahrzunehmen. Schließlich wollen Sie sich nicht unnötig Verteidigungsansätze verbauen.

Haben die Mitarbeiter der Jugendgerichtshilfe eine Schweigepflicht?

Die Jugendgerichtshilfe gehört nicht zum Kreis der Zeugnisverweigerungsberechtigten gem. §§ 53, 54 StPO und hat folglich kein Zeugnisverweigerungsrecht gegenüber dem Gericht. Das Gespräch zwischen der Jugendgerichtshilfe und dem Jugendlichen oder Heranwachsenden gilt als strafprozessuale Vernehmung, für die es einer vorherigen Belehrung bedarf (vgl. §§ 163a Abs. 4 Satz 2, 136 Abs. 1 Satz 2 StPO). Die Jugendgerichtshilfe ist verpflichtet auch belastende oder unangenehme Umstände dem Gericht mitzuteilen. Aussagen, die der Jugendliche oder Heranwachsende gegenüber einem Mitarbeiter der Jugendgerichtshilfe getätigt hat, können also nicht verschwiegen werden und sind im Verfahren voll verwertbar. Daher sollten Äußerungen, von denen der Jugendliche oder Heranwachsende nicht möchte, dass sie verwertet werden, auch in einem Gespräch mit der Jugendgerichtshilfe nicht getätigt werden.

Ihr Anwalt für Strafrecht wird Sie auf das Gespräch mit der Jugendgerichtshilfe vorbereiten.

Gegenüber anderen Personen unterliegt die Jugendgerichtshilfe aber einer Schweigepflicht. Das bedeutet, dass die Mitarbeiter der Jugendgerichtshilfe grundsätzlich mit niemandem über den Beschuldigten sprechen dürfen, sofern sie keine Erlaubnis des Beschuldigten oder dessen Erziehungsberechtigten haben. Dies gilt auch gegenüber der Polizei. Es kann aber sinnvoll sein, dass die Jugendgerichtshilfe mit Personen aus dem Umfeld des Beschuldigten spricht, wenn dies für die Darstellung seiner positiven Entwicklung förderlich ist. Aber auch dies ist nur nach vorheriger Einwilligung bzw. Erlaubnis des Beschuldigten möglich.
Von der Schweigepflicht ist jedoch bei Eigengefährdung des Beschuldigten oder bei drohender Fremdgefährdung, wie Kindeswohlgefährdung (§ 8a Abs. 4 SGB VIII) eine Ausnahme zu machen.

Helfen die Mitarbeiter der Jugendgerichtshilfe mir als Beschuldigtem?

Die Jugendgerichtshilfe hat vor allem zwei Tätigkeitsbereiche: die Erforschung verfahrens- und rechtsfolgenrelevanter Umstände, die in Form eines Ermittlungsberichts das Gericht beraten soll und die Kontrolle der Rechtsfolgenumsetzung im Rahmen der nachgehenden Jugendhilfe. Letzteres betrifft das Verhalten nach Beendigung des Strafverfahrens, wie die Unterstützung bei der Sanktionsüberwachung, die Überwachung von Auflagen und Weisungen inklusive der Mitteilung an das Gericht und die Staatsanwaltschaft sowie die Betreuung des Beschuldigten (insbesondere, wenn er zu einer Jugendstrafe verurteilt wurde).

Hauptaufgabe der Jugendgerichtshilfe während des Verfahrens ist es, den Jugendlichen sowie seinen Angehörigen Hilfestellung zu gewährleisten, insbesondere durch die Beratung.
Sie führt zudem sämtliche, für eine straffreie Entwicklung förderlichen Aspekte in die Verhandlung ein. Dabei darf aber nicht außer Acht gelassen werden, dass die Jugendgerichtshilfe auch belastende Umstände darlegen muss, da sie keine Schweigepflicht gegenüber dem Gericht hat. Sie gibt anhand der Informationen einen Vorschlag zu geeigneten Maßnahmen als Reaktion auf die Straftat ab. Dabei berücksichtigt sie auch alle sozialen Aspekte, die über die Tat als solche hinausgehen. Der Bericht und die Empfehlung der Jugendgerichtshilfe können daher sehr sinnvoll sein, um das Gericht von der positiven Entwicklung des Beschuldigten und der Möglichkeit der Wiedereingliederung in die Gesellschaft zu überzeugen. Dies kann sich natürlich auch positiv auf die mögliche Strafe auswirken.

Was macht die Jugendgerichtshilfe im Strafprozess?

Die Jugendgerichtshilfe ist in dem gesamten Verfahren „heranzuziehen“ (§ 38 Abs. 6 JGG). Sie nimmt an den Verhandlungen teil und bringt ihre Einschätzung und Empfehlung in einer mündlichen Stellungnahme oder in einem schriftlichen Gutachten ein. Die Heranziehung schließt es ein, dass die Staatsanwaltschaft und das Gericht die Feststellungen der Jugendgerichtshilfe zur Kenntnis nehmen. Um ihren Aufgaben entsprechen zu können, besteht ein Anspruch auf Verfahrenseinbindung. Die Strafverfolgungsbehörden können nicht darüber entscheiden, ob die Jugendgerichtshilfe beteiligt wird.

Um eine Empfehlung abgeben zu können, führt die Jugendgerichtshilfe auch Gespräche mit den Jugendlichen oder Heranwachsenden.  Anhand der Gespräche macht sich die Jugendgerichtshilfe ein Bild des Beschuldigten und berichtet dem Gericht, damit dieses sich ein Bild von dem Jugendlichen machen und eine Maßnahme finden kann, die den Lebensverhältnissen sowie etwaigen erzieherischen Erfordernissen Rechnung trägt. Dabei sind insbesondere die Entwicklung des Beschuldigten, seine Lebenssituation sowie erzieherische Aspekte relevant.

In der Hauptverhandlung gibt die Jugendgerichtshilfe dann den Bericht ab, in dem sie ihren Eindruck des Beschuldigten darlegt. Dabei werden sämtliche Aspekte berücksichtigt. Darüber hinaus gibt die Jugendgerichtshilfe eine Empfehlung ab. Die Empfehlung ist für das Gericht nicht bindend. Regelmäßig wird sich das Gericht jedoch an der Empfehlung orientieren, sie zumindest bei Urteilsfindung berücksichtigen. Daher kann die Mitwirkung der Jugendgerichtshilfe im Verfahren eine hohe Bedeutung haben.

Was entscheidet die Jugendgerichtshilfe?

Die Jugendgerichtshilfe entscheidet nicht, ob der Beschuldigte oder zu was für einer Maßnahme oder Strafe er verurteilt wird. Sie gibt eine Empfehlung an das Gericht ab und erforscht dafür die verfahrens- und rechtsfolgenrelevanten Umstände.
Die Empfehlung kann sich darauf beziehen, ob das Absehen von der förmlichen Strafverfolgung sinnvoll erscheint, weil geeignete erzieherische Maßnahmen und Leistungen der Jugendhilfe zur Verfügung stehen, z.B. soziale Arbeitsstunden, Täter-Opfer-Ausgleich oder Verkehrserziehungskurse.
Die Empfehlung der Jugendgerichtshilfe kann sich bei Heranwachsenden auch darauf beziehen, ob Jugendstrafrecht oder Erwachsenenstrafrecht anzuwenden ist. Diese Empfehlung stützt sich auf die Einschätzung zu der Persönlichkeit des Beschuldigten, seiner Lebenssituation zur Tatzeit sowie auf seine aktuelle Lebenssituation und Entwicklung.

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