Öffentlichkeit der Verhandlung
im Strafprozess

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Der Öffentlichkeitsgrundsatz ist eines der wesentlichen Grundprinzipien des Strafprozesses. Grundsätzlich kann jeder, der Interesse daran hat, in ein Gericht gehen und als Zuhörer an strafprozessualen Hauptverhandlungen teilnehmen.

Was bedeutet Öffentlichkeit der Hauptverhandlung im Strafprozess?

Die Öffentlichkeit der Hauptverhandlung ist gesetzlich in § 169 des Gerichtsverfassungsgesetzes (GVG) festgelegt. Der Öffentlichkeitsgrundsatz folgt zudem aus Art. 6 Abs. 1 EMRK. Eine Hauptverhandlung ist öffentlich, wenn beliebige Zuhörer die Möglichkeit des Zutritts haben. Dazu bedarf es einer Information über Zeit und Ort der Verhandlung. Dies erfolgt in der Regel durch Aushang im Gericht. Die Öffentlichkeit wird durch die Bevölkerung und durch die Vertreter der Presse repräsentiert. Der Öffentlichkeitsgrundsatz bedeutet, dass jedermann ohne Ansehung seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten Bevölkerungsgruppe und ohne Ansehung bestimmter persönlicher Eigenschaften die abstrakte Möglichkeit hat, an Gerichtsverhandlungen als Zuhörer teilzunehmen.  

 

  • 169 S. 1 GVG spricht von der Öffentlichkeit der „Verhandlung vor dem erkennenden Gericht“. Damit ist die Hauptverhandlung gemeint. Nicht öffentlich ist das Ermittlungsverfahren, alle Verfahren vor dem Ermittlungsrichter, das Zwischenverfahren, die Vorbereitung der Hauptverhandlung sowie das Verfahren vor den Vollstreckungsgerichten. Daher sind zum Beispiel mündliche Verhandlungen im Rahmen einer Haftprüfung oder Haftbeschwerde nicht öffentlich.

Sind Film- und Tonaufnahmen durch Zuschauer in der Verhandlung im Strafprozess erlaubt?

Nein. Dies wird durch § 169 S. 2 GVG ausdrücklich verboten. Die Öffentlichkeit der Verhandlung umfasst somit nicht eine mittelbare Teilnahme im Wege einer Fernsehübertragung. § 169 S. 2 GVG soll die Wahrheitsfindung schützen. Denn es wird befürchtet, dass die Verfahrensbeteiligten sich in ihren Äußerungen gehemmt sehen oder ihr Verhalten verändern, wenn die Hauptverhandlung für eine nicht erkennbare Masse an Personen einsehbar ist. Ausnahmsweise können Tonaufnahmen der Verhandlung zu wissenschaftlichen und historischen Zwecken zugelassen werden. Dafür muss es sich aber um ein Verfahren von herausragender zeitgeschichtlicher Bedeutung für die Bundesrepublik Deutschland handeln. Eine Ausnahme gilt zudem für die Verkündung von Entscheidungen des Bundesgerichtshofs. Hier sind in besonderen Fällen Ton- und Filmaufnahmen zum Zweck der öffentlichen Vorführung zulässig.

Warum sind Hauptverhandlungen im Strafprozess öffentlich?

Durch die Öffentlichkeit der Hauptverhandlungen soll das Vertrauen in die Gerichte durch öffentliche Kontrolle gestärkt werden und dem Bürger die Gelegenheit gegeben werden, sich von der Rechtmäßigkeit des Rechtfindungsprozesses überzeugen zu können. Die Funktion des Öffentlichkeitsprinzips ist zugleich Ausdruck der Einbindung der Gerichte als dritte Gewalt in den demokratischen Staat, in dem alle Staatsgewalt vom Volke ausgeht. Daher ergehen Urteile auch stets „Im Namen des Volkes“. Die Öffentlichkeitsmaxime dient dem Schutz vor staatlicher Willkür. Der Öffentlichkeitsgrundsatz dient zudem auch dem Informationsinteresse der Allgemeinheit. Die Öffentlichkeitsmaxime stellt eine Reaktion gegen die Geheim- und Kabinettsjustiz des Absolutismus dar.

Wann liegt ein Verstoß gegen die Öffentlichkeit der Hauptverhandlung im Strafverfahren vor?

Wenn eine Hauptverhandlung früher beginnt als angegeben, liegt beispielsweise ein Verstoß gegen den Öffentlichkeitsgrundsatz vor. Auch wenn eine Hauptverhandlung in einem anderen Raum oder anderen Ort stattfindet, als zunächst angekündigt, und hierüber nicht informiert wird, liegt ein Verstoß gegen den Öffentlichkeitsgrundsatz vor. Es muss bei einer Raum- bzw. Ortsverlegung immer sichergestellt sein, dass unbeteiligte Personen, die zuhören wollen, Ort und Zeit des neuen Verhandlungsortes zu Kenntnis nehmen können. Dem Zuhörer ist allerdings eine Erkundigung zuzumuten. Ferner liegt ein Verstoß gegen die Öffentlichkeitsmaxime vor, wenn die Tür des Gerichtssaals zum Zuhörer-Bereich verschlossen war.

Kein Verstoß gegen die Öffentlichkeit der Hauptverhandlung liegt hingegen zum Beispiel vor, wenn die Räumlichkeiten begrenzt sind und daher nicht jeder Interessierte in den Verhandlungssaal eingelassen werden kann.

Etwas anderes gilt nur dann, wenn das Gericht bewusst enge Räumlichkeiten auswählt, um Zuschauer fernzuhalten. Bei besonderen Prozessen, in denen ein erhöhtes öffentliches Interesse besteht und mit einer Vielzahl von Zuhörern gerechnet wird, kann die Verhandlung ausnahmsweise auch außerhalb des Gerichts geführt werden. So hat zum Beispiel der Frankfurter Auschwitzprozess im Rathaus der Stadt Frankfurt stattgefunden. In diesem Zusammenhang liegt auch kein Verstoß gegen die Öffentlichkeit der Hauptverhandlung vor, wenn eine gewisse Anzahl von Plätzen für Pressevertreter freigehalten werden. Dies ist aufgrund der Bedeutung der Medien für die freie individuelle und öffentliche Meinungsbildung und für Kritik und Kontrolle der öffentlichen Gewalt zulässig.

Was ist die Folge eines Verstoßes gegen die Öffentlichkeit der Hauptverhandlung im Strafverfahren?

Ein Urteil, das nicht öffentlich verhandelt wurde, gilt als rechtlich fehlerhaft zustande gekommen. Dies gilt unabhängig davon, ob der Verstoß tatsächlich ursächlich für das Ergebnis war. Das Urteil kann dann alleine wegen dieses formalen Fehlers im Rahmen einer Revision aufgehoben werden, sodass ein neues Verfahren durchzuführen ist. Nach überwiegender Ansicht, welche insbesondere auch der Bundesgerichtshof vertritt, liegt ein Revisionsgrund allerdings nur dann vor, wenn der Verfahrensverstoß auf einem Verschulden des Gerichts beruht.

Etwas anderes gilt nur dann, wenn der Mangel durch Wiederholung der Prozesshandlung im gebotenen Rahmen und in ordnungsmäßiger Form geheilt wird. Wenn das Gericht zum Beispiel nach begonnener Hauptverhandlung bemerkt, dass die Tür zum Zuhörersaal verschlossen war, anschließend aber die vorausgegangenen Prozesshandlungen wiederholt, kann der Verstoß gegen die Öffentlichkeit nicht im Rahmen der Revision gerügt werden. Erforderlich hierfür ist immer, dass der Verstoß gegen das Prinzip der Öffentlichkeit bis zum Urteil fortgewirkt hat.

Wann ist ein Ausschluss der Öffentlichkeit bei einem Strafprozess möglich? 

Da ein Strafverfahren mit besonders intensiven Eingriffen in die Rechte des Beschuldigten, insbesondere in seine Privatsphäre, verbunden ist, kann in besonderen Fällen die Öffentlichkeit beschränkt oder ausgeschlossen werden.

Strafverfahren gegen Jugendliche sind gemäß § 48 JGG stets nicht-öffentlich. Dies wird damit begründet, dass der Schutz der Privatsphäre des Minderjährigen dem Informationsinteresse der Öffentlichkeit vorgeht.

Die Öffentlichkeit kann auch im Verfahren gegen Erwachsene ausgeschlossen werden, soweit Umstände aus dem persönlichen Lebensbereich eines Prozessbeteiligten, eines Zeugen oder eines Verletzten zur Sprache kommen. Wenn das Verfahren Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung oder gegen das Leben zum Gegenstand hat und ein Zeuge vernommen werden soll, welcher noch keine 18 Jahre alt ist, dann soll die Öffentlichkeit ausgeschlossen werden.

Ferner kommt ein Ausschluss der Öffentlichkeit in Betracht, wenn das Verfahren die Unterbringung des Beschuldigten in einem psychiatrischen Krankenhaus oder einer Entziehungsanstalt zum Gegenstand hat.

Was gilt es bei einem Ausschluss der Öffentlichkeit zu beachten?

Der Ausschluss der Öffentlichkeit muss in der Regel durch einen Beschluss angeordnet werden. Im Beschluss muss der Ausschließungsgrund ausreichend bestimmt angegeben werden. Zum Ausschluss der Öffentlichkeit gehört auch die Angabe seines Umfangs. Als Beschränkung der Öffentlichkeit kann bereits gerügt werden, dass die formellen Anforderungen des Ausschließungsbeschlusses nicht erfüllt sind bzw. ein solcher gänzlich fehlt.

Kann der Beschuldigte einer Straftat bewirken, dass die Öffentlichkeit ausgeschlossen wird?

Dies ist unter bestimmten Voraussetzungen möglich. Wenn Umstände aus seinem persönlichen Lebensbereich zur Sprache kommen würde, deren öffentliche Erörterung schutzwürdige Interessen verletzen würde, kann er nach § 171b Abs. 3 GVG beantragen, die Öffentlichkeit auszuschließen. Wenn die genannten Voraussetzungen vorliegen, dann muss das Gericht dem Antrag nachkommen.

Können einzelne Zuhörer bei einem Strafprozess ausgeschlossen werden?

Ja. Unter bestimmten Voraussetzungen können einzelne Zuhörer zurückgewiesen werden. Nach § 175 GVG kann der Zutritt solchen Personen versagt werden, die in einer der Würde des Gerichts nicht entsprechenden Weise erscheinen. Des Weiteren können Personen, gegen die ein Ermittlungsverfahren wegen Beteiligung an der zur Verhandlung stehenden Tat läuft, als Zuhörer ausgeschlossen werden. Genauso können Personen, deren Vernehmung als Zeugen in Betracht kommt, von der Hauptverhandlung ausgeschlossen werden. Wenn einer Anordnung, den Sitzungssaal zu verlassen, nicht Folge geleistet wird, kommt auch eine zwangsweise Entfernung des Zuhörers in Betracht. Wenn die Voraussetzungen für eine derartige Ausschließung nicht vorlagen und einzelne Zuhörer trotzdem zurückgewiesen worden sind, stellt dies ebenfalls einen Verstoß gegen den Grundsatz der Öffentlichkeit der Hauptverhandlung dar.

Kann auf die Öffentlichkeit der Hauptverhandlung verzichtet werden?

Nein. Die Öffentlichkeit der Hauptverhandlung ist ein Grundprinzip des rechtsstaatlichen Strafverfahrens und steht daher nicht zur Disposition der Verfahrensbeteiligten. Der Öffentlichkeitsgrundsatz ist unverzichtbar.

Verstoßen Zugangskontrollen gegen den Grundsatz der Öffentlichkeit der Hauptverhandlung im Strafverfahren?

Grundsätzlich widerspricht es dem Grundsatz der Öffentlichkeit, unter den Einlass begehrenden Besuchern der Verhandlung eine persönliche Auswahl zu treffen. Zulässig sind jedoch Ausweiskontrollen, wenn die Sicherheit im Gerichtsgebäude sonst nicht gewährleistet erscheint. Gegebenenfalls kann auch eine Durchsuchung der Zuhörer erforderlich sein. Die Anordnung solcher Maßnahmen stellt die Öffentlichkeit der Verhandlung aber auch dann nicht in Frage, wenn sie eine wesentliche Reduzierung der Besucherzahl bewirkt. Durch die Pflicht, sich bei Zutritt zum Gerichtsgebäude auszuweisen, wird der Zugang zum Gerichtsgebäude nicht unverhältnismäßig beschwert. Eine Zurückweisung von Personen im Rahmen der Zugangskontrolle ist nur zulässig, wenn sie durch ihr Verhalten oder mitgebrachte Gegenstände wie zum Beispiel Waffen, Eier, Trillerpfeifen oder Transparente deutlich machen, dass sie die Verhandlung gezielt stören wollen.

Wenn Einlasskontrollen der Zuhörer dazu führen, dass diese erst verspätet in den Sitzungssaal gelangen, ist das Gericht bei Beginn der Hauptverhandlung verpflichtet, mit der Verhandlung erst zu beginnen, wenn den rechtzeitig erschienenen Personen der Zutritt gewährt worden ist.

Wenn Sie mit dem Vorwurf einer Straftat konfrontiert sein sollten, empfiehlt es sich, sich an einen erfahrenen und spezialisierten Anwalt für Strafrecht zu wenden. Dieser weiß, worauf bei der rechtlichen Beurteilung eines Falles zu achten ist.

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