Wann haftet Wikipedia
für Persönlichkeitsrechtsverletzungen?
Wie funktioniert Wikipedia?
Wikipedia wurde im Jahr 2001 als gemeinnütziges Projekt zur Erstellung einer freien Internet-Enzyklopädie gegründet. Laut Wikipedia lag die Seite im Januar 2021 auf dem dreizehnten Platz der weltweit am häufigsten besuchten Websites.
Die Funktionsweise des Online-Lexikons ist bekannt: Schlagwortartig gesuchte Inhalte werden zur Verfügung gestellt. Inhalte, die grundsätzlich von jedermann verfasst werden können. Der Vorgang ist einfach: BenutzerInnen der Website erstellen einen Artikel und dieser wird von freiwillig handelnden AutorIinnen unentgeltlich korrigiert bzw. ergänzt. Das Ziel ist es, gemeinschaftlich ein Arbeitsergebnis zu schaffen.
Die Idee ist simpel, der Vorgang auch. Aber genau so einfach ist es, rechtsverletzende Inhalte zu verfassen oder abzubilden, die auf unkomplizierte Weise online gestellt werden und insofern international zugreifbar sind.
Wie ist vorzugehen, wenn über die weltweit größte Enzyklopädie rechtsverletzende Inhalte über einen selbst verbreitet werden? Muss die Plattform bereits vor einer Veröffentlichung konkret prüfen? Inwieweit haftet Wikipedia?
Wie sind die Grundsätze der Rechtsprechung zu Wikipedia-Beiträgen?
Mit diesen Fragen mussten sich in der Vergangenheit verschiedene Gerichte beschäftigen, aus deren Entscheidungen die nachfolgenden Grundsätze hervorgehen:
Wikipedia als „Verbreiter“
Wikipedia haftet grundsätzlich für die Verbreitung rechtsverletzender Inhalte als „Verbreiter“. Haftungsfälle werden insbesondere durch die Verbreitung unwahrer ehrverletzender Tatsachenbehauptungen begründet.
Im Rahmen einer stets vorzunehmenden Gesamtabwägung sind die persönlichkeitsrechtlichen Belange des Betroffenen mit den von Art. 5 Abs. 1 GG geschützten Interessen der Plattform an der Verbreitung gegenüberzustellen.
Das OLG Hamburg führt in seiner Entscheidung vom 3.3.2020 (7 U 63/19) an:
„Ein öffentliches Interesse hieran wäre grundsätzlich nicht zu bestreiten, wenn diese Tatsachenbehauptung zutreffend wäre, denn das Medium „Wikipedia“ hat eine erhebliche Breitenwirkung und den Nimbus besonderer Objektivität durch die ständige Bearbeitung aller Einträge durch die Nutzer selbst. Wer konkret die Einträge erstellt und bearbeitet, kann daher besonders dann von öffentlichem Interesse sein, wenn es um Beiträge zu zeitgeschichtlichen und / oder politischen Themen geht und der konkrete Bearbeiter politisch und / oder religiös einer bestimmten Richtung zuzuordnen ist.“
Haftung als mittelbare Störerin
Wikipedia haftet nicht als deliktsrechtliche Täterin. Wikipedia haftet jedoch als journalistisches Medium als mittelbare Störerin für rechtswidrige Äußerungen auf der Plattform. Für die Haftung ist erforderlich, dass sie Kenntnis von einer Rechtsverletzung über die Plattform erlangt und ihre sodann einzuhaltenden zumutbaren Prüfpflichten verletzt. Denn es besteht gerade keine Verpflichtung, die von den Nutzern in das Netz gestellten Beiträge vor der Veröffentlichung auf evtl. Rechtsverletzungen zu überprüfen.
Verantwortung nach Kenntniserlangung
Wikipedia wird erst dann für die Rechtsverletzung verantwortlich, sobald sie Kenntnis von dieser erlangt. Wird sie insofern auf das Vorliegen einer Rechtsverletzung hingewiesen, ist sie verpflichtet, die Verletzungen zu beseitigen, soweit der Hinweis jedoch hinreichend konkret ist.
Es kommt auf die Funktionsweise an
Die mittelbare Störereigenschaft wird mit der Funktionsweise der Plattform begründet. Diese ist in ihren wesentlichen Grundzügen mit einem Internetforum vergleichbar, so dass sie aufgrund dessen als Host-Provider für fremde Informationen einzuordnen ist. Denn es wird ebenso eine technische Infrastruktur sowie der Speicherplatz zur Verfügung gestellt, so dass ein Zu-eigen-Machen der Inhalte grundsätzlich abzulehnen sei (siehe dazu das Urteil des LG Berlin vom 28.8.2018 (27 O 12/17)).
Deutlicher Hinweis auf bloßen Verdacht erforderlich
Aus der Entscheidung des LG Berlin vom 28.08.2018 geht zudem hervor, dass wenn ein Beitrag bei Wikipedia bloß einen Verdacht beinhalten soll, insofern ein deutlicher Hinweis erfolgen muss. Schließlich würde der Durchschnittsnutzer tatsächliche Fakten erwarten, die über die Enzyklopädie veröffentlicht werden.
Zuverlässige Quellenherkunft
Da hinsichtlich der Wikipedia- Beiträge die journalistischen Sorgfaltspflichten einzuhalten sind, ist besonders auf die Quellenherkunft zu achten. Wikipedia kann sich nach einem konkreten Hinweis auf eine Rechtsverletzung durch einen bestimmten Inhalt nicht darauf berufen, dass der Inhalt nicht von ihr selbst erstellt worden sei und sie insofern keine Prüfmöglichkeiten habe.
Zusammenfassend: Wann haftet Wikipedia für einen rechtswidrigen Beitrag?
Wikipedia haftet nach den bereits bekannten Grundsätzen des bei Host-Providern üblichen „Notice-and-take-down“-Verfahrens. Es besteht keine Verpflichtung, vor einer Veröffentlichung hinreichend zu prüfen. Erfolgt jedoch ein klarer Hinweis auf eine Rechtsverletzung, sind die Prüfpflichten zu befolgen. Werden diese missachtet, kommt eine Haftung in Betracht.
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