Zulässigkeit von privilegierten Äußerungen
im Klageverfahren
Dass Rechtsanwälte untereinander streiten, ist wohl für niemanden etwas Neues. Doch was ist, wenn der Rechtsanwalt innerhalb eines Rechtsstreites Aussagen tätigt, die womöglich in das Persönlichkeitsrecht des anderen Rechtsanwaltes eingreifen?
Mit dieser äußerungsrechtlichen Frage musste sich nun das Landgericht Berlin im Rahmen eines Antrags auf Erlass einer einstweiligen Verfügung beschäftigen (Beschluss vom 21.04.2016, Az. 14 O 196/16).
Was war Gegenstand des äußerungsrechtlichen Verfahrens?
Der Antragssteller und Antragsgegner, beides Rechtsanwälte, standen sich in einem Klageverfahren ebenfalls vor dem Landgericht Berlin gegenüber. Der Antragssteller vertrat die Klägerseite und der Antragsgegner einen der Beklagten.
Innerhalb dieses Klageverfahrens führte der Antragsgegner in einem Schriftsatz auf, dass der Antragssteller gegen das Berufsrecht verstoßen würde. Er habe den aktuellen Beklagten in vorherigen Rechtsstreitigkeiten vertreten und mehrere Verfahren für diesen durchgeführt. Nun vertrete der Antragssteller jedoch den Kläger. Dies sei ein Fall der widerstreitenden Interessenvertretung und daher berufsrechtlich unzulässig.
Ferner wurde dem Antragssteller vorgeworfen, in den vorherigen Verfahren ebenfalls strafrechtlich sanktioniert worden zu sein und diese Umstände in dem aktuellen Rechtsstreit bewusst ausgelassen zu haben.
Der Antragssteller begehrte nun Unterlassung dieser konkreten Äußerungen, da er sich in seinem allgemeinen Persönlichkeitsrechts gem. §§ 823 Abs. 1, 1004 BGB i.V.m. Art. 2 Abs. 2, 1 Abs. 1 GG verletzt sah. Es sollte verhindert werden, dass in weiteren Rechtsstreitigkeiten, in denen der Antragssteller mandatiert wurde, gleichartige Behauptungen aufgestellt werden.
Entscheidung: Kein Unterlassungsanspruch für innerprozessuale Äußerungen
Das LG Berlin wies diesen Antrag auf Erlass einer Verfügung zurück. Ein Unterlassungsanspruch sei unbegründet.
Zunächst stellte es fest, dass allein die Erhebung einer Klage oder die Inanspruchnahme eines staatlichen, gesetzlich geregelten Rechtspflegeverfahrens zur Durchsetzung vermeintlicher Rechte keine zum Schadensersatz oder Unterlassung verpflichtende Verletzung darstellt.
Demnach begründet auch eine fahrlässige Fehleinschätzung der Rechtslage keine Haftung außerhalb der im Verfahrensrecht vorgesehenen Sanktionen.
Der Antragssteller erhält bereits einen ausreichenden Rechtsschutz durch das gerichtliche Verfahren an sich.
Solange die Äußerungen in einem sachlichen Zusammenhang mit dem Verfahren und der bezweckten Rechtsverfolgung und Rechtswahrung stehen, handelt es sich hierbei um sogenannte privilegierte Äußerungen. Sie führen zu einem Ausschluss von Abwehransprüchen.
Solche privilegierten Äußerungen sind schon allein aus Gründen der geordneten Rechtspflege notwendig. Eine mögliche Geltendmachung von Unterlassungs- und Widerrufsansprüche würde den Ablauf von Gerichts- und ähnlichen Verfahren in einer verfassungsrechtlich bedenklichen Weise einengen und beeinflussen.
Darüber hinaus betonte das LG Berlin im vorliegenden Fall, dass selbst Äußerungen, die eine Tatsachenbehauptung und keine Meinungsäußerung darstellen, nicht untersagt werden können. Die Aussagen werden im Namen des Mandanten getätigt und sind daher nicht dem Rechtsanwalt zuzurechnen. Die Mandatierung gebietet dem Rechtsanwalt die Interessen des Mandanten stets vorrangig zu behandeln.
Etwas anderes gilt nur dann, wenn bewusst unwahre Behauptungen aufgestellt werden. Dies wurde im vorliegenden Fall jedoch nicht ausreichend vorgetragen.
Fazit zu privilegierten Äußerungen im Klageverfahren
Mit diesem Beschluss wurde erneut entscheiden, dass die in einem Klageverfahren getätigten Aussagen anders zu beurteilen sind, als Äußerungen außerhalb eines gerichtlichen Verfahrens.
Durch das gerichtliche Verfahren werden etwaig getätigte Aussagen von den Richtern kritisch gewürdigt und geprüft. Damit wird ein ausreichender Rechtsschutz gewährleistet.
Mit Blick auf das Rechtsstaatsgebot und unter dem Gesichtspunkt einer effektiven Rechtsverteidigung ist diese Entscheidung des LG Berlin zu begrüßen.
Müsste jeder Rechtsanwalt vor Erstellung eines Schriftsatzes im vollen Umfang die Aussagen des eigenen Mandanten auf die Wahrheit überprüfen, so würde eine effektive und schnelle Interessensverteidigung nicht mehr möglich sein.
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