Symbolbild Milch (Foto: © Yingko – stock.adobe.com)
Wettbewerbsrecht: BGH stellt bei Werbeslogan „So wichtig wie das tägliche Glas Milch!“ auf den durchschnittlichen Verbraucher ab
Der BGH hat mit Urteil vom 12.2.2015 (Az: I ZR 36/11) folgendes entschieden:
Sachverhalt: Lebensmittelproduzent wirbt für Früchtequark für Kinder mit Slogan „So wichtig wie das tägliche Glas Milch!“
Die Beklagte stellt einen bei Kindern beliebten Früchtequark im Sechserpack unter dem Namen „Monsterbacke“ her. Im Jahr 2010 befand sich auf den Verpackungen der aufgedruckte Slogan „So wichtig wie das tägliche Glas Milch!“. Pro 100 g enthält der Früchtequark so viel Kalzium wie Kuhmilch, aber etwa 2,8-mal mehr Zucker.
Die Wettbewerbszentrale hielt den Slogan für irreführend, da kein Hinweis darauf vorhanden war, dass die in einem 200ml-Glas Milch enthaltene Kalziummenge erst nach dem Verzehr von vier Bechern des Früchtequarks aufgenommen werde und der im Vergleich zu Milch erhöhte Zuckeranteil verschleiert werde.
Der in erster Instanz erfolglosen Klage hatte das OLG Stuttgart stattgegeben. Der BGH legte zunächst dem EuGH die Frage vor, ob die Hinweispflichten bei gesundheitsbezogenen Angaben gem. Art. 10 Abs. II HCVO (Health-Claims-Verordnung) bereits im Jahr 2010 zu befolgen waren, was der EuGH bejahte.
Entscheidung: Berufungsgericht lässt außer Acht, dass Verbraucher nicht zwischen der Zusammensetzung von Milch und Früchtequark unterscheiden kann
Der BGH hebt das Berufungsurteil auf und verweist die Sache zurück an das Berufungsgericht. Nach Ansicht des BGH hat dieses zwar zu Recht eine nährwertbezogene Angabe nach Art. 2 Abs. 2 Nr. 4 HCVO abgelehnt, da der Slogan sich nicht unmittelbar auf den Energiegehalt oder die Inhaltsstoffe des Früchtequarks beziehe. Dennoch sei der Slogan nicht irreführend im Sinne von § 11 Abs. 1 Satz 1, Satz 2 Nr. 1 LFGB a.F. (alte Fassung) einzustufen.
Insbesondere liegt ein Rechtsfehler des Berufungsgerichts vor. Dieser liegt darin, dass es angenommen hat, ein Verbraucher würde durch den Slogan den täglichen Verzehr von Milch mit dem täglichen Verzehr von Früchtequark gleichsetzen. Der Verbraucher würde dadurch nicht erwarten, dass sich Milch und der Früchtequark in ihrer Zusammensetzung unterscheiden und der Früchtequark in seiner Zusammensetzung eher nachteilig für Kinder sein kann.
Der BGH geht dagegen davon aus, dass dem durchschnittlichen Verbraucher klar ist, dass sich Früchtequark und Milch deutlich in ihrer Zusammensetzung unterscheiden und die Gleichsetzung „So wichtig wie…“ beim Verbraucher nicht eine gegenteilige Assoziation auslöst. Der Verbraucher assoziiere mit der Gleichsetzung durch den Slogan lediglich den in beiden Produkten enthaltenen Kalziumgehalt. Das Berufungsgericht hat den Slogan daher überinterpretiert.
Schließlich hat das Berufungsgericht auch zu Unrecht verneint, dass es sich um eine gesundheitsbezogenen Angabe nach Art. 2 Abs. 2 Nr. 5 HCVO handelt. Nach der ständigen Rechtsprechung des EuGH ist dieser Begriff weit auszulegen und in diesem Fall gegeben. Das Berufungsgericht hat daher zu prüfen, ob die Beklagte einen Hinweis nach Art. 10 Abs. 2 HCVO hätte erteilen müssen.
Fazit: BGH stellt auf Reaktion des durchschnittlichen Verbrauchers ab und lässt Hintertür für Verbot durch Berufungsgericht nach der HCVO offen
Die Entscheidung des BGH bedeutet nicht, dass dem Verbraucher nur der Kalziumgehalt, nicht aber der Zuckergehalt wichtig ist. Der BGH hat allerdings klargestellt, dass der Slogan in Zusammenhang mit der Reaktion des durchschnittlichen Verbrauchers zu sehen ist.
Obwohl der BGH hier eine Irreführung verneint, bedeutet das nicht, dass Lebensmittelherstellern und –Händlern für die Zukunft mehr Freiheit bei ihren Werbeaussagen geschenkt wird. Durch Art. 10 Abs. 2 HCVO lässt der BGH dem Berufungsgericht eine Hintertür offen, durch die der Slogan doch noch gekippt werden könnte. Daher ist auch in Zukunft Zurückhaltung bei solchen Werbeaussagen geboten.
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