Erfolg in der Berufungsinstanz –
Freispruch vom Vorwurf des unerlaubten Erwerbs und der unerlaubten Einfuhr von Betäubungsmitteln
21. April 2021
Ein Mann erhält ein Paket mit der Post. Kurz darauf wird sein Haus durchsucht und das Paket beschlagnahmt. In dem Paket befinden sich Betäubungsmittel in nicht geringe Menge.
Ein Strafverfahren wird gegen den Beschuldigten eingeleitet. Rechtsanwalt Grunst übernimmt die Verteidigung und rät seinem Mandanten zunächst, von seinem Schweigerecht Gebrauch zu machen. Auch wenn dies für einen Beschuldigten oftmals schwer ist, ist das Schweigerecht ein wichtiger Baustein der Strafverteidigung im Bereich des Drogenstrafrechts.
Nach ausführlicher Analyse der Ermittlungen, regt Rechtsanwalt Grunst die Einstellung des Verfahrens an. Der Beschuldigte wird dennoch wegen unerlaubten Erwerbs und unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln angeklagt und in der ersten Instanz verurteilt.
Rechtsanwalt Grunst widerspricht bereits in der erstinstanzlichen Hauptverhandlung der Verwertung der Ergebnisse aus der seiner Einschätzung nach unzulässigen Durchsuchung.
Gegen das Urteil legt Rechtsanwalt Grunst im Namen seines Mandanten Rechtsmittel ein und weist abermals auf die sehr dünne Beweislage hin, die eine Verurteilung nicht hinreichend stützen kann.
Mit Erfolg: Das Berufungsgericht spricht den Mandanten von den Tatvorwürfen des unerlaubten Erwerbs und der unerlaubten Einfuhr von Betäubungsmitteln frei.
Was ist der unerlaubte Erwerb und die unerlaubte Einfuhr von Betäubungsmitteln?
Eine Übersicht, welche Betäubungsmittel im Betäubungsmittelstrafrecht relevant sind, finden Sie hier.
Der Erwerb von Betäubungsmitteln im Sinne des § 29 I Nr.1 BtMG beschreibt den Fall, dass eine Person tatsächliche Verfügungsgewalt über Betäubungsmittel durch beispielsweise einen Kauf, einen anderen Vertrag oder andere Rechtsgeschäfte erlangt.
Unter Einfuhr von Betäubungsmitteln in diesem Sinne versteht man das Verbringen von Betäubungsmitteln nach Deutschland (aus dem Ausland). § 30 I Nr.4 BtMG setzt hierbei voraus, dass es sich um eine nicht geringe Menge an Betäubungsmitteln handelt.
Unerlaubt ist der Erwerb oder die Einfuhr von Betäubungsmitteln, wenn keine Erlaubnis im Sinne des § 3 BtMG vorliegt.
Das Gesetz sieht jedoch unter bestimmten Voraussetzungen Befreiungen von der Erlaubnispflicht, beispielsweise für Apotheken, vor.
Und welche Strafe sieht das Gesetz hierfür vor?
Für den vorsätzlichen unerlaubten Erwerb von Betäubungsmitteln nach § 29 I BtMG sieht das Gesetz grundsätzlich eine Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe vor. In besonders schweren Fällen sieht das Gesetz einen erhöhten Strafrahmen vor. Eine solche Tat wird grundsätzlich mit einer Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr bestraft.
Die unerlaubte Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge nach § 30 I Nr. 4 BtMG wird hingegen grundsätzlich mit einer Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren bestraft. In minder schweren Fällen kann der Strafrahmen auf eine Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren herabgesetzt werden.
Hier können Sie mehr zu den Milderungsgründen im Betäubungsmittelstrafrecht erfahren.
Anforderungen an die Zulässigkeit einer Durchsuchung
Durchsuchungen dienen zumeist dazu, Beweismittel im Rahmen eines Strafverfahrens zu sichern.
Eine Durchsuchung ist unter anderem ein Eingriff in das Grundrecht auf Unverletzlichkeit der Wohnung und kann dementsprechend nicht einfach so vorgenommen werden, sondern ist an bestimmte Voraussetzungen geknüpft.
Erforderlich ist zum Beispiel ein Durchsuchungsbeschluss. Dieser muss in der Regel von einem Richter erlassen werden (sogenannter Richtervorbehalt). Nur in Ausnahmefällen, namentlich bei Gefahr im Verzug, also wenn eine gewisse Eilbedürftigkeit besteht, kann die Staatsanwaltschaft über die Durchsuchung entscheiden.
An die Feststellung der Gefahr im Verzug sind hierbei strenge Anforderungen zu stellen und ihr Vorliegen ist am konkreten Einzelfall zu beurteilen. Bloße, auf Erfahrungswerten begründete, abstrakte Vermutungen reichen hierfür beispielsweise nicht aus (vgl. BVerfG Urteil v. 20.2.2001 – 2 BvR 1444/00 in NJW 2001, 1121).
Der Verstoß gegen Anforderungen an eine Durchsuchung kann unter bestimmten Voraussetzungen, insbesondere bei bewussten Verstößen (zum Beispiel die bewusste fälschliche Annahme, es läge Gefahr im Verzug vor), ein Beweisverwertungsverbot zur Folge haben. Zwingende Folge ist dies aber nicht (vgl. BVerfG Beschluss v. 2.7.2009 – 2 BvR 2225/08 in NJW 2009, 3225).
Im Fall des Mandanten von Rechtsanwalt Grunst lag keine Gefahr im Verzug vor. Demnach wäre für die Durchsuchung der Wohnung des Mandanten ein richterlicher Durchsuchungsbeschluss notwendig. Ein solcher lag auch vor, jedoch wies dieser Unstimmigkeiten auf.
Diese Unstimmigkeiten fielen Rechtsanwalt Grunst auf und er widersprach deshalb der Verwertung der durch die Durchsuchung sichergestellten Beweise.
Sie sind mit einer Durchsuchung konfrontiert? Bewahren Sie zunächst Ruhe und kontaktieren Sie so schnell wie möglich ihren Verteidiger. Dieser kann Ihnen sagen, wie in einem solchen Fall bestmöglich zu verfahren ist.
Mittäter oder Anstifter – Täterschaft oder Teilnahme?
Im Strafrecht im Allgemeinen und im Betäubungsmittelstrafrecht im Speziellen stellt sich oftmals die Frage der Abgrenzung zwischen Täterschaft und Teilnahme.
Täter können laut Gesetz entweder Alleintäter, Mittäter oder mittelbare Täter sein.
Anstiftung und Beihilfe sind Formen der Teilnahme an einer Tat.
Dies kann nämlich gegebenenfalls Folgen für die Strafhöhe haben. Ein Anstifter wird zwar grundsätzlich gleich dem Täter bestraft, für den Hilfeleistenden im Rahmen der Beihilfe sieht das Gesetz hingegen eine Strafmilderung (im Vergleich zum Täter) vor.
Die Abgrenzung war auch im Rahmen des Falles des Mandanten von Rechtsanwalt Grunst relevant. Angeklagt war zunächst die täterschaftliche Begehung der Einfuhr von Betäubungsmitteln. Verurteilt wurde in der ersten Instanz wegen Anstiftung zur Einfuhr von Betäubungsmitteln. In der Berufungsinstanz wurde auch die Anstiftung abgelehnt und der Angeklagte freigesprochen.
Die Abgrenzung zwischen Täterschaft und Teilnahme kann je nach Fallkonstellation schwierig sein.
Für eine Täterschaft spricht zum Beispiel ein besonders hohes Interesse an der Realisierung des Taterfolgs (also dass die Einfuhr der Betäubungsmittel beispielsweise tatsächlich erfolgt), oder wenn eine Person eine besonders zentrale Stellung im Tatgeschehen einnimmt (zum Beispiel die Person, die die Einfuhr des Betäubungsmittels tatsächlich vornimmt – diese Person muss aber nicht allein deswegen zwangsläufig Täter sein). Auch die Gewichtigkeit der Tatbeiträge kann von entscheidender Bedeutung sein.
Maßgeblicher Vorgang für die Beurteilung, ob eine Täterschaft an der unerlaubten Einfuhr von Betäubungsmitteln vorliegt, ist bei diesem Tatbestand die Einfuhr (vgl. BGH Beschluss v. 2.6.2015 – 4 StR 144/15 in NstZ-RR 2016, 316).
Nach Ansicht des BGH scheidet beispielsweise sowohl eine Täterschaft, als auch eine Beihilfe zur Einfuhr von Betäubungsmitteln aus, wenn der Beschuldigte sich lediglich dazu bereit erklärt, Betäubungsmittel, die zuvor eingeführt wurden, anzunehmen (vgl. BGH Beschluss v. 31.3.2015 – 3 StR 630/14 in BeckRS 2015, 8391)
Ebenso verneinte das Oberlandesgericht Stuttgart einen täterschaftlichen unerlaubten Erwerb von Betäubungsmitteln für den Fall, dass der Beschuldigte ein Paket mit Betäubungsmitteln lediglich (für einen anderen) verwahrt (vgl. OLG Stuttgart Beschluss v. 8.10.2019 – 2 RVs 36 Ss 469/19).
Der Gedanke einer Anstiftung zur Einfuhr von Betäubungsmitteln kann zum Beispiel bei der Bestellung von Drogen im Internet auftauchen.
Eine Anstiftung setzt objektiv eine vorsätzliche rechtswidrige Haupttat (also in dieser Konstellation die vorsätzliche rechtswidrige Einfuhr von Betäubungsmitteln) und eine Anstiftungshandlung voraus. Eine Anstiftungshandlung ist das Hervorrufen des Entschlusses zur Begehung einer Tat bei einer anderen Person (dem Täter). Deshalb ist es beispielsweise auch nicht möglich, jemanden anzustiften, der bereits fest zur Tatbegehung entschlossen ist.
Die Anstiftungshandlung könnte in einer solchen Konstellation also beispielsweise das Bestellen von Betäubungsmitteln sein.
Und hier lag ein Problem im Fall des Mandanten von Rechtsanwalt Grunst: Ein Bestellvorgang konnte im Rahmen der Beweisaufnahme gerade nicht festgestellt werden. Damit fehlte es an einer Anstiftungshandlung und eine Strafbarkeit wegen Anstiftung zur Einfuhr von Betäubungsmitteln musste folgerichtig verneint werden.
Erfolg in der Berufung: Der Freispruch von den Tatvorwürfen
Am Ende der Beweisaufnahme in einer Hauptverhandlung muss das Gericht von der Schuld des Angeklagten überzeugt sein. Ist es dies nicht, so ist der Angeklagte von den Tatvorwürfen freizusprechen.
Die Berufung führte zum Erfolg.
Das Gericht schloss sich der Ansicht von Rechtsanwalt Grunst an: Eine erforderliche Anstiftungshandlung des Mandanten war nicht erkennbar. Der Angeklagte wurde hinsichtlich der Tatvorwürfe freigesprochen.