Jugendstrafrecht: Nach Anklage wegen des schweren Raubes noch zur Einstellung des Verfahrens nach erfolgreicher Revision durch den Rechtsanwalt für Strafrecht
16. Oktober 2020
Die 16-jährige Leyla M. war mit ihrem damaligen Freund Karl L. und deren Halbbruder Anton L. am Abend im Berliner Grunewald unterwegs.
Der Älteste und Kräftigste von ihnen, Anton L., hatte plötzlich eine Idee und schlug vor, dass sie irgendwas unternehmen sollten, was Geld bringen könnte. Er habe zusätzlich aus seinem letzten Aufenthalt in Polen einen Elektroschocker, einen Teleskop-Schlagstock sowie ein Messer mitgebracht, die den Prozess beschleunigen sollen. Ihr Entschluss stand fest: Sie wollten jemanden ausrauben. Das erlangte Geld sollte jedoch nur unter den Brüdern aufgeteilt werden, Leyla M. sollte leer ausgehen.
Die drei erspähten ihre Opfer aus, die überfallen werden sollten. Es handelt sich um Robert B. und Lukas P., die mit ihren Fahrrädern durch den Grunewald auf dem Weg nach Hause waren.
Kurze Zeit später waren die drei jungen Menschen dicht hinter den beiden Opfern als Anton L. sie aufforderte alles Wertvolle herauszurücken. Im nächsten Augenblick holte Anton L. sein Teleskop-Schlagstock und verpasste Robert B. einen kräftigen Schlag auf den Unterarm, der ihm das Entwenden des Fahrrads ermöglichte. Das Fahrrad sollte Leyla M. übernehmen, was sie aus Panik auch sofort erledigte. Sie fragte im nächsten Moment, ob sie es auch benutzen dürfte, was jedoch von Anton L. verneint wurde. Im selben Moment verspürte das zweite Opfer einen starken Schmerz im Nackenbereich, der durch einen Elektroschocker von Karl L. ausgelöst wurde. Beide Vorgänge wurden vorher nicht miteinander abgesprochen, weshalb Leyla M. von dem ganzen Hergang auch nichts wusste. Bei dieser darauffolgenden Flucht der Opfer verlor Lukas P. seine Musikbox, die Anton aufhob und abermals an Leyla M. weitergab, die die Box in ihre Tasche steckte.
Auch die drei Täter verschwanden vom Ort des Überfalls und versuchten, ungesehen davonzukommen, doch die Polizei war bereits zur Stelle und nahm die drei getrennt voneinander mit auf die Polizeistation.
Die zu stellende Frage ist nun, ob der ganze Raub gemeinschaftlich begannen wurde oder nicht. Waren alle drei Täter oder war einer von ihnen nur Teilnehmer? Kommt vielleicht eine Beihilfe in Betracht?
Das Urteil des Amtsgerichts Tiergarten stand fest. Leyla M. wurde wegen Beihilfe zum schweren Raub in Tateinheit mit Beihilfe zur gefährlichen Körperverletzung verurteilt.
Was bedeutet zunächst überhaupt Beihilfe?
Laut §27 StGB wird jemand wegen Beihilfe bestraft, wer einem anderen zu dessen vorsätzlich begangener rechtswidrigen Tat vorsätzlich Hilfe geleistet hat.
Ein wesentlicher Bestandteil ist das Hilfeleisten. Es muss demnach also eine Förderung der Tat erkennbar sein. Dies kann durch eine physische Beihilfe, z.B. in Form vom sogenannten ,,Schmiere stehen“ oder vom Verschaffen eines Werkzeugs der Fall sein. Das Hilfeleisten beinhaltet auch die psychische Beihilfe, indem man beispielsweise Ratschläge erteilt oder den Tatentschluss des Haupttäters bzw. das Gefühl einer erhöhten Sicherheit noch verstärkt. (BGH NStZ 1993, 535;)
Zu einem erfüllten Tatbestand des §27 StGB gehört auch der Vorsatz, der die gesamte Tat umfasst, aber ebenso auch die eigene Unterstützungshandlung.
Der Gehilfe muss demnach die ganze Haupttat kennen und wissentlich daran mitgewirkt haben.
Leyla M. wurde zur Beihilfe zum schweren Raub angeklagt, weshalb der schwere Raub ebenso eine Rolle im Urteil des Gerichts spielte.
Was ist „schwerer Raub“ mit Blick auf das Strafgesetzbuch?
Der schwere Raub gemäß §250 StGB stellt eine tatbestandliche Qualifikation zum Grundtatbestand des einfachen Raubes gemäß §249 StGB dar.
§ 249 StGB definiert als einfachen Raub die Wegnahme einer fremden beweglichen Sache durch ein Nötigungsmittel. Als Nötigungsmittel wird hier auch eine ausgeübte Gewalt gegen eine Person bejaht, wie z.B. das Wegreißen einer Handtasche. Hier wird eine mittelbare Kraftentfaltung angenommen, wenn dieser Vorgang mit einem erhöhten Kraftaufwand verbunden ist. Das ist der Fall, wenn das Opfer seine Handtasche festhält und man erst durch beispielsweise starkes Ziehen an seine Beute gelangt.
Die Qualifikation §250 StGB wird zusätzlich in zwei Qualifikationstatbestände unterteilt. Erfüllt der Täter eine der Voraussetzungen des Abs.1, so wird die Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren lauten.
Eine weitere Erhöhung sieht das Gesetz für den Absatz 2 vor. Sind deren Voraussetzungen erfüllt, beträgt die Sanktion eine Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren.
Zum ersten Absatz gehört z.B. die Voraussetzung Nr.1a, in dem der Täter bewusst eine gebrauchsfähige Waffe bei sich führt oder, Nr.1c, eine andere Person durch die Tat in die Gefahr einer schweren Gesundheitsschädigung bringt.
Zum zweiten Absatz gehört beispielsweise bei Nr.1 die Maßnahme, dass man seine Waffe auch konkret verwendet hat. In diesen Normbereich passt auch der klassische Bankraubfall, in dem der Täter mit der geladenen Waffe den Bankangestellten auffordert, das Geld herauszugeben.
In diesem Fall dient der Gegenstand als Mittel der Drohung, da die Waffe auch geeignet war, erhebliche Verletzungen herbeizuführen.
Auch in dem oberen beschriebenen Fall, wurde eine Waffe im Tatgeschehen verwendet, nämlich der Teleskop-Schlagstock und der Elektroschocker, um an Geld bringende Objekte heranzukommen. Sie erbeuteten das Fahrrad, sowie die Musikbox, die später einem flüchtenden Opfer aus der Tasche fiel.
Das Urteil lautet: Beihilfe zum schweren Raub – Rechtsanwalt ist jedoch anderer Meinung und legt gegen das Urteil Revision ein
Leyla M. wurde als Gehilfen zu diesem schweren Raub verurteilt.
Der Fachanwalt für Strafrecht sieht in diesem Urteil jedoch Fehler, die bei einer entsprechenden Analyse des Sachverhaltes mit dem benötigten Wissen zum Vorschein kommen.
Zunächst überträgt man die beiden wesentlichen Elemente der Beihilfe auf den oben beschriebenen Fall. Denn schon hier, könnte man bei manchen Punkten bereits stutzig werden.
Um den Vorwurf der Beihilfe vollumfänglich zu bestätigen, müsste Leyla M. die Tat vorsätzlich gefördert haben. Die Staatsanwaltschaft knüpfte an den Punkt an, dass Leyla das Fahrrad des Opfers an sich nahm und es gerne benutzen wollte, womit sie das Urteil manifestierten.
Wie bereits beschrieben, muss sich das Hilfeleisten in der Durchführung der Tat widerspiegeln. Das Verhalten von Leyla M., sich das Fahrrad anzueignen, müsste sich demnach in der Tatbegehung ausgewirkt haben. Doch durch diese Handlung wurde weder der Erfolgseintritt gefördert noch wurde in irgendeiner Weise der Tathergang dadurch beeinflusst. Es war in dieser Konstellation und diesem Vorgang irrelevant, dass Leyla M. das Fahrrad nahm und gern damit gefahren wäre.
Zusätzlich spricht, laut Gericht, die Aneignung der Musikbox als zweite Handlung für das Urteil. Doch dieser Punkt wird kritisiert und durch aussagekräftige Argumente des Rechtsanwalts für Strafrecht belegt.
Die zweite Handlung ist zeitlich nachgelagert, da diese nach Beendigung des festgestellten Raubes von Karl und Anton vollzogen wurde.
Das Opfer rannte weg und verlor in dieser Handlung die Musikbox, die Anton an sich nahm. Die Beute war mit der Aufnahme durch den Angeklagten Anton bereits endgültig gesichert und der Raub damit beendet. Es spielt deshalb keine Rolle mehr, dass Leyla M. die Beute in ihrer Tasche verwahren sollte.
Als erfahrener Rechtsanwalt für Strafrecht erkennt man hier einen klaren Fehler des Gerichts und legt dagegen Revision ein. Rechtsanwalt Grunst verfasste eine Revisionsbegründung gegen das Urteil und wurde durch das Kammergericht in Berlin bestätigt.
Das letzte Wort gehört den Erziehungsberechtigten und den Angeklagten im Jugendstrafrecht
Von enormer Beachtung sei an dieser Stelle eine kleine Regelung im Jugendstrafrecht erwähnt, die ein ganzes Urteil kippen kann. Nach §67 I Jugendgerichtsgesetz i.V.m. §258 StPO ist dem Erziehungsberechtigten oder gesetzlichen Vertreter eines jugendlichen Angeklagten das letzte Wort zu erteilen. So kommt es oft vor, dass die wenigsten Jugendgerichte beachten, dass im Strafprozess gegen einen Minderjährigen mehrere Personen das Recht auf ein letztes Wort haben. Nämlich der Angeklagte und seine Eltern, beziehungsweise sein gesetzlicher Vertreter (Vormund).
In diesem Fall war es Leylas Mutter, die während der kompletten Verhandlung anwesend und deshalb berechtigt war, auch das Wort an das Gericht zu richten.
Jedoch wurde in diesem Verfahren die Beweisaufnahme nach der Erklärung, dass es keine weiteren Verfahrensabsprachen gab, im allseitigen Einverständnis geschlossen ohne die Berücksichtigung des letzten Wortes.
Der Erziehungsberechtigten wurde keine Möglichkeit der Stellungnahme eingeräumt, was aus juristischer Sicht einen großen Fehler darstellt.
Für einen minderjährigen Angeklagten ist es immer von Vorteil, wenn die Eltern im Gerichtssaal anwesend sind und dem Kind damit Sicherheit vermitteln können. Doch zusätzlich kann diese Anwesenheit auch eine Möglichkeit sein, ein unerfreuliches Urteil wegen Verfahrensfehlern zu kippen.
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