Aussagedelikte
Ist eine Falschaussage vor der Polizei strafbar? Ist auch „Weglassen“ lügen? Kann ich meine Aussage berichtigen?
Schnell zum Inhalt:
In zahlreichen Situationen ist es unabdingbar, die korrekten Tatsachen zu erfassen. Etwa dann, wenn ein Gericht über die Strafbarkeit eines Angeklagten zu befinden hat, muss es sich zunächst ein genaues Bild vom Geschehen machen können. Nicht selten ist es dabei auf die Aussagen von Zeugen, die den Gang der Dinge mit eigenen Augen beobachtet haben, oder Sachverständigen, die die Dinge einzuordnen helfen und beraten, angewiesen.
Lügen diese, birgt das enorme Risiken – zum Beispiel eine unrechtmäßige Verurteilung. Die Aussagedelikte im Neunten Abschnitt des Strafgesetzbuches (§§ 153 bis 162 StGB) wirken dem entgegen und schützen das öffentliche Interesse an einer wahrheitsgemäßen Tatsachenfeststellung. Angesichts der skizzierten Risiken überrascht es wenig, dass diese Aussagedelikte in der Regel mit Freiheitsstrafen bestraft werden.
Im weiteren Sinne zählen zu den Aussagedelikten auch die Ehrdelikte der §§ 185 ff. StGB, insbesondere die Beleidigung, die üble Nachrede und die Verleumdung. Schutzgegenstand ist hier die Ehre als der dem Menschen aufgrund seiner Personenwürde zukommende Geltungswert.
Sie haben eine Vorladung mit dem Vorwurf eines Aussagedelikts erhalten?
Auch beim Vorwurf der Aussagedelikte stehen unsere Strafverteidiger Ihnen zur Seite. Sollten Sie eine Anzeige, Vorladung oder Anklage wegen eines Aussagedelikts erhalten haben, empfiehlt es sich, zunächst Ruhe zu bewahren, gegenüber der Polizei keine Angaben zu machen und sich einem Anwalt anzuvertrauen. Gemeinsam werden die nächsten Schritte geplant und gemeinsam gegangen.
Insbesondere in den folgenden Situationen sind wir für Sie da:
- Vorladung von der Polizei oder Staatsanwaltschaft mit dem Vorwurf eines Aussagedelikts
- Hausdurchsuchung durch die Ermittlungsbehörde wegen eines Aussagedelikts
- Untersuchungshaft / Festnahme
- Anklage der Staatsanwaltschaft wegen eines Aussagedelikts
- Rechtsmittel – Berufung und Revision nach einer Verurteilung wegen eines Aussagedelikts
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- Expertise als Fachanwälte für Strafrecht
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Vorladung erhalten wegen eines Aussagedeliktes – Was jetzt zu tun ist:
Anwalt bei Falschaussage
Eine Falschaussage macht unter gewissen Umständen strafbar. Ausgangspunkt ist dabei in der Regel zunächst eine falsche Aussage. Sodann existieren verschiedene Tatmodalitäten, die über etwaige Strafbarkeiten bestimmen. Ein falscher Eid wiegt bspw. schwerer als eine uneidliche Falschaussage.
Ausgangspunkt: falsche Aussage
Kern jedes Aussagedelikts ist notwendigerweise eine Aussage, die auch falsch ist. Das ist dann der Fall, wenn sich ihr Inhalt nicht mit dem deckt, worüber ausgesagt wurde und daher nicht mit der Wirklichkeit übereinstimmt. Gegenstand einer Aussage können alle Tatsachen sein, bei Sachverständigen auch deren Werturteile. Der Wahrheitspflicht unterliegt insbesondere, was Gegenstand der Vernehmung ist.
Täter der meisten Aussagedelikte kann grundsätzlich nur derjenige sein, der selbst falsch aussagt (sog. eigenhändige Delikte). Daneben ist aber auch Raum für strafbare Anstiftung (§ 26 StGB) oder Beihilfe (§ 27 StGB) zu einem Aussagedelikt. Die Verleitung zur Verwirklichung der einzelnen Aussagedelikte ist gesondert unter Strafe gestellt (§ 160 StGB).
Einzelne Aussagedelikte und deren Strafrahmen
Jemand sagt als Sachverständiger oder Zeuge vor Gericht oder einer anderen zur eidlichen Vernehmung von Zeugen oder Sachverständigen zuständigen Stelle uneidlich falsch aus.
Dieses Delikt umreißt den „Standard“-Fall, in dem ein Zeuge oder Sachverständiger bewusst die Unwahrheit wiedergibt.
Strafrahmen: Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren.
Jemand schwört vor Gericht oder einer anderen zur Abnahme von Eiden zuständigen Stelle falsch. Der Eid ist eine förmliche besondere Versicherung der Wahrheit der Aussage des Eidleistenden – ein Meineid wiegt deshalb schwerer als eine bloße uneidliche Falschaussage. Damit das Gericht den Zeugen oder Sachverständigen vereidigt, wird es regelmäßig von der ausschlaggebenden Bedeutung der Aussage ausgehen (§ 59 Abs. 1 StPO) bzw. die Vereidigung für geboten halten (§ 391 ZPO).
Strafrahmen: Freiheitsstrafe von einem bis zu fünfzehn Jahren.
Setzt ein Delikt einen Eid voraus (so zB der Meineid, unmittelbar hierüber), reicht dafür nicht nur der „klassische“ Eid aus – § 155 StGB stellt ihm eine den Eid ersetzende Bekräftigung sowie die Berufung auf einen früheren Eid oder eine frühere Bekräftigung gleich.
Der falsch aussagende Zeuge kann also zB auch bei eidersetzender Bekräftigung voll gem. § 154 StGB wegen Meineides bestraft werden.
Jemand gibt „vor einer zur Abnahme einer Versicherung an Eides Statt zuständigen Behörde eine solche Versicherung falsch“ ab oder sagt „unter Berufung auf eine solche Versicherung falsch“ aus (§ 156 StGB). Eine eidesstattliche Versicherung ist eine selbständige Form der Wahrheitsbeteuerung. Eine solche Versicherung wird mündlich oder schriftlich abgegeben, um Behauptungen glaubhaft zu machen.
Strafrahmen: Geldstrafe oder Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren.
- Aussagenotstand (§ 157 StGB)
Hat ein Zeuge oder ein Sachverständiger einen Meineid oder eine falsche uneidliche Aussage begangen, kann das Gericht die Strafe mildern und im Falle der uneidlichen Falschaussage auch ganz von der Strafe absehen – und zwar dann, wenn der Beschuldigte die Unwahrheit gesagt hat, um von einem Angehörigen oder von sich selbst die Gefahr abzuwenden, bestraft oder einer freiheitsentziehenden Maßregel der Besserung und Sicherung unterworfen zu werden.
Damit würdigt die Norm das „schuldmindernde Dilemma“ (Hettinger/Bender, JuS 2015, 577, 585) des Zeugen oder Sachverständigen, ihre Angehörigen durch wahrheitsgemäße Aussage den entsprechenden Maßnahmen auszusetzen.
Die Strafbarkeiten wegen falscher Versicherung an Eides statt (§ 156) und fahrlässigen Falscheides/fahrlässiger Versicherung an Eides statt (§ 161) können durch den Aussagenotstand indes nicht gemildert werden oder entfallen (Müller, in: MüKoStGB, 4. Aufl. 2021, § 157 Rn. 15).
- Berichtigung einer falschen Angabe (§ 158 StGB)
Ein besonderer Milderungs- oder Strafaufhebungsgrund kommt demjenigen zugute, der eine falsch gemachte Angabe (als Eid, an Eides statt oder uneidlich) abgegeben hat und diese rechtzeitig berichtigt. Auch hier kann das Gericht die Strafe mildern oder von ihr absehen. Das ist indes dann nicht mehr möglich, wenn die Berichtigung bei der Entscheidung nicht mehr verwertet werden kann oder aus der Falschaussage bereits ein Nachteil für einen anderen entstanden ist. Auch, wenn gegen den Falschaussagenden wegen der Falschaussage bereits eine Anzeige erstattet oder eine Untersuchung eingeleitet worden ist, ist die Berichtigung verspätet.
Jemand versucht, einen anderen zu einer falschen uneidlichen Aussage oder einer falschen Versicherung an Eides statt [oder einem Meineid, vgl. §§ 154, 30 Abs. 1 Alt. 1, 12 Abs. 1 StGB] anzustiften. Auch die versuchte Anstiftung zu einem Aussagedelikt wird pönalisiert.
Der mitunter zunächst verwirrend anmutende Terminus der „versuchten Anstiftung“ meint, dass es versucht wurde, den Tatentschluss zur Falschaussage beim Angestifteten hervorzurufen, das aber nicht gelungen ist, zB weil der Angestiftete nicht auf darauf eingegangen ist oder bereits dazu entschlossen war – Beispiel: (1) T bietet dem Zeugen Z Geld an, wenn er dafür vor Gericht falsch aussagen werde. Z weist das Angebot zurück und sagt vor Gericht die Wahrheit. Die Anstiftung wurde durch T versucht, ist aber – wegen des wahrheitstreuen Z – nicht gelungen. (2) Z war schon vor dem Angebot durch T entschlossen, vor Gericht zu lügen.
Strafrahmen: Der Strafrahmen richtet sich nach dem Delikt, zu dem die Anstiftung versucht wurde; wobei die Strafe zu mildern ist.
Jemand verleitet einen anderen zur Ableistung eines falschen Eides (Abs. 1 Hs. 1) oder zur Ableistung einer falschen Versicherung an Eides Statt oder einer falschen uneidlichen Aussage (Abs. 1 Hs. 2). Auch die Verleitung zu einer Falschaussage ist unter Strafandrohung verboten.
Umfasst ist damit zB auch der Fall, in dem der Verleitende die Erinnerung des Zeugen manipuliert, sodass dieser sie – im Glauben, sie seien wahr – vor Gericht aussagt.
Strafrahmen: Geldstrafe oder Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren (falscher Eid); Geldstrafe bis zu 180 Tagessätzen oder Freiheitsstrafe bis zu sechs Monaten (falsche Versicherung an Eides statt oder falsche uneidliche Aussage).
Während die uneidliche Falschaussage nur strafbar ist, wenn der Beschuldigte mit Wissen und Wollen eine falsche Aussage gemacht hat, gelten beim Eid und der Versicherung an Eides statt strengere Maßstäbe. Hier macht sich der Betroffene schon dann strafbar, wenn er fahrlässig eine falsche Aussage macht (freilich mit einer milderen Strafe als wenn er mit Wissen und Wollen gehandelt hätte). Das ist immer dann der Fall, wenn er zumutbar durch sorgfältiges Überlegen die Richtigkeit seiner Aussage hätte überprüfen können. Wird die Aussage rechtzeitig berichtigt, tritt grundsätzlich Straflosigkeit ein.
Strafrahmen: Geldstrafe oder Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr.
- Achtung – Strafbarkeit auch wegen Ehrdelikten oder Falsche Verdächtigung
Liegt keine Strafbarkeit wegen eines Aussagedeliktes vor, können trotzdem Strafbarkeiten aus anderen Delikten drohen. Besonders sei in diesem Zusammenhang auf die Ehrdelikte und die falsche Verdächtigung hingewiesen. Auch kommen Strafbarkeiten wegen eines Deliktes gegen die Ehre auch neben Strafbarkeiten wegen Aussagedelikten in Betracht.
Anwalt bei Ehrdelikten
Ehrdelikte können auch im Rahmen von Zeugenaussagen auftreten; in der Regel geschehen sie aber allein. Relevant sind insbesondere die Beleidigung, die üble Nachrede und die Verleumdung.
Eine Beleidigung ist die Kundgabe eigener Missachtung, Nichtachtung oder Geringschätzung eines anderen Menschen. Erfasst ist sowohl der Fall, dass die Beleidigung dem Opfer selbst gegenüber kundgegeben wird („ins Gesicht des Beleidigten“) wie auch die Kundgabe gegenüber einem anderen („hinter dem Rücken des Beleidigten“).
Strafrahmen: Geldstrafe oder Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr. Geldstrafe oder Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren, wenn die Beleidigung öffentlich, in einer Versammlung, durch Verbreiten eines Inhalts (§ 11 Absatz 3) oder mittels einer Tätlichkeit begangen wird.
Die üble Nachrede kriminalisiert es, in Beziehung auf einen anderen eine Tatsache zu behaupten oder zu verbreiten, welche dazu geeignet ist, diesen verächtlich zu machen oder in der öffentlichen Meinung herabzuwürdigen – wenn die Tatsache nicht erweislich wahr ist. Wer entsprechende Tatsachen behauptet oder verbreitet, trägt das Risiko, sie beweisen zu können.
Strafrahmen: Geldstrafe oder Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr. Geldstrafe oder Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren, wenn die Üble Nachrede öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten eines Inhalts (§ 11 Absatz 3) begangen wird.
Die Verleumdung hat die Behauptung oder Verbreitung unwahrer Tatsachen wider besseren Wissens zum Gegenstand. Die Tatsache muss geeignet sein, das Opfer verächtlich zu machen, in der öffentlichen Meinung herabzuwürdigen oder dessen Kredit zu gefährden.
Hier weiß der Beschuldigte im Gegensatz zur Üblen Nachrede, dass die verbreitete oder behauptete Tatsache nicht der Wahrheit entspricht. Entsprechend wiegt das Unrecht schwerer.
Strafrahmen: Geldstrafe oder Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren. Geldstrafe oder Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren, wenn die Verleumdung öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten eines Inhalts (§ 11 Absatz 3) begangen wurde.
Diese Delikte können – müssen es aber nicht – wie erwähnt mit Aussagen vor Gericht & Co zusammenfallen. Macht ein Zeuge bspw. bei der Polizei eine falsche Aussage, wird in der Regel keine Strafbarkeit wegen Falschaussage drohen (die Polizei ist zur weder Gericht noch zur eidlichen Vernehmung zuständig). Je nach Inhalt der Aussage könnte diese aber zB eine strafbare Beleidigung, eine üble Nachrede oder eine Verleumdung darstellen.
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Falsche uneidliche Aussage bei Gericht und bei der Polizei? – Wie hoch ist die Strafe?:
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