Präventive Gewinnabschöpfung
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Nach einer Großrazzia im April 2017 in Hamburg Rothenburgsort wurden fast 1.800 Fahrräder sichergestellt, von denen nur 47 an ihre ursprünglichen Besitzer zurückgegeben wurden. Für alle übrigen Fahrräder wurden keine rechtmäßigen Besitzer gefunden, sodass deren Diebstahl nicht nachgewiesen werden konnte. Aus diesem Grund erfolgte später die Herausgabe an die beiden Täter – trotz Verurteilung.
Unter dem Stichwort „Verbrechen darf sich finanziell nicht lohnen“ soll in solchen Fällen die Möglichkeit der präventiven Gewinnabschöpfung weiterhelfen.
Was bedeutet „Gewinnabschöpfung“?
Unter der Gewinnabschöpfung ist allgemein eine Maßnahme zu verstehen, durch welche einem Täter Vorteile entzogen werden, die er durch eine Straftat oder Ordnungswidrigkeit erlangt hat und die er deswegen unrechtmäßig besitzt.
Die strafrechtliche Vermögensabschöpfung zielt darauf ab, dem Täter jegliche Vorteile aus seiner rechtswidrigen Tat zu entziehen. Es geht dabei nicht darum, dass ein Täter zusätzlich bestraft und ihm ein Nachteil zugefügt wird, sondern dasjenige weggenommen wird, was dieser zu Unrecht erlangt hat.
Die Vermögenseinziehung bzw. Gewinnabschöpfung kann aber trotzdem für den Betroffenen wie eine Strafe – mitunter wie die härteste „Strafe“ – wirken. Die Gewinnabschöpfung kann sich auf mitunter immense Summen beziehen. Durch die Anordnung von Vermögensarrest im Strafverfahren kann auch ohne eine Verurteilung und schon zu Beginn der Ermittlungen drohen, dass z.B. das Konto eingefriert wird, um die spätere Gewinnabschöpfung zu sichern.
Was ist präventive Gewinnabschöpfung?
Die präventive Gewinnabschöpfung bzw. Vermögensabschöpfung ist die vorbeugende Sicherstellung von offensichtlich deliktischen Gewinnen, wie Gegenständen oder Bargeld.
Im Gegensatz zu der repressiven Gewinnabschöpfung, handelt es sich bei der präventiven um eine Maßnahme zur Gefahrenabwehr und gehört daher zum Polizeirecht.
Es geht dabei darum, dass bestimmte Gegenstände sichergestellt werden, um dadurch Gefahren für die öffentliche Sicherheit abzuwehren. Der primäre Zweck liegt dabei nicht darin, dem Täter den Gewinn zu entziehen, sondern die potenzielle Begehung folgender Straftaten zu vermeiden und private Rechte zu schützen.
Die Gefahr für die öffentliche Sicherheit kann entweder eine Gefahr durch den Gewinn oder eine Gefahr für den Gewinn sein, die abgewendet werden soll.
Eine Gefahr durch den Gewinn kann sich daraus ergeben, dass dieser für weitere Straftaten verwendet werden soll. Beispielhaft sind Hehlerware oder Bargeldbeträge zu nennen, welche mutmaßlich durch Drogenhandel oder den Enkeltrickbetrug erlangt wurden. Sie sollen durch diese Maßnahme dem „kriminellen Kreislauf“ entzogen werden.
Eine Gefahr für den Gewinn liegt dagegen vor, wenn dem wahren Eigentümer die Erlangung des Gegenstandes ohne die Sicherstellung verwehrt bleiben würde oder die Rückerlangung zumindest erschwert wäre.
Typischerweise handelt es sich um große Mengen Bargeld, die beispielsweise gemeinsam mit geringen Mengen an Betäubungsmitteln bei einer Fahrzeugkontrolle aufgefunden werden. Oder aber um vielzählige original verpackte Waren, die im Rahmen einer Durchsuchung gefunden werden.
Wann kann mir die Polizei Gegenstände vorsorglich wegnehmen?
Für die präventive Gewinnabschöpfung existieren keine expliziten Regelungen in den Polizeigesetzen der Länder. Auf welche Rechtsgrundlage die Maßnahme gestützt wird, unterscheidet sich daher jeweils (z.B. § 38 Nr. 1 ASOG Bln).
Lediglich in Niedersachsen wurde zudem die praktische Umsetzung näher geregelt, welche im Kern aber für alle weiteren Bundesländern als Maßstab herangezogen werden kann.
Keine strafrechtliche Gewinnabschöpfung und keine Verzichtserklärung
Die präventive Gewinnabschöpfung ist nachrangig gegenüber der strafrechtlichen („repressiven“) durch das Gericht.
Darüber hinaus soll vorrangig ein ausdrücklicher Rückgabeverzicht der beschuldigten Person erzielt werden, sodass eine präventive Gewinnabschöpfung überflüssig wäre.
Sache offensichtlich nicht rechtmäßig erlangt
Im Zivilrecht ist festgelegt, dass zu Gunsten des derzeitigen Besitzers einer Sache die Vermutung gilt, dass er auch der Eigentümer der Sache ist (§ 1006 BGB).
Die Sicherstellung durch Polizeibeamte würde dieser Vermutung zuwiderlaufen, wenn sie nicht durch bestimmte Indizien entkräftet werden kann. Bei der begründeten Annahme, dass der Besitz unrechtmäßig erlangt wurde, muss der Besitzer beweisen, dass das Gegenteil der Fall ist.
Indizien, die beispielsweise gegen die Eigentümerstellung sprechen sind:
- Sehr große Anzahl gleicher Gegenstände
- Vielzahl originalverpackter Gegenstände sowie Etiketten
- Spuren deliktischer Herkunft an den Sachen
- Finanzielle Situation/ Einkommen
- Keine Rechnungen etc. vorhanden
- Einschlägig strafrechtlich in Erscheinung getreten
Gegenwärtige Gefahr
Zum Zwecke der Gefahrenabwehr, d.h. Gefahr für oder durch den Gewinn.
Dabei muss der Eintritt eines Schadens (z.B. der Einsatz von sichergestelltem Bargeld für Drogengeschäfte unmittelbar nach Herausgabe) sehr wahrscheinlich und in zeitlicher Nähe sein.
Bagatellgrenze
Liegt der Wert der sicherzustellenden Gegenstände unter 500 Euro, findet regelmäßig wegen des vergleichsweise unverhältnismäßig hohen Verwaltungsaufwandes keine Sicherstellung statt.
Was geschieht mit den sichergestellten Sachen?
Zunächst werden die sichergestellten Gegenstände verwahrt und gegebenenfalls an Berechtigte herausgegeben, alternativ wird die Sache verwertet.
Der Erlös der sichergestellten Sachen, beziehungsweise sichergestelltes Bargeld gehen vorrangig an die Eigentümer oder sonst berechtigte Personen. Nach Ablauf bestimmter Fristen fallen diese an den Fiskus, d.h. die Staatskasse, sofern kein Berechtigter festgestellt werden konnte. Je nach Zuständigkeit profitieren der Bund, die Länder oder die Kommunen.
Was ist der Unterschied zwischen präventiver Gewinnabschöpfung und Gewinnabschöpfung in einem Strafverfahren?
Die „repressive“ (strafrechtliche) Gewinnabschöpfung ist im Strafgesetzbuch (§§ 73 ff. StGB) konkret geregelt. Die Vorschriften legen fest, unter welchen Voraussetzungen die Einziehung, also die Wegnahme von Gegenständen beim Täter und anderen Personen möglich ist und welche Folgen daraus resultieren.
Um die spätere Einziehung der Gegenstände sichern zu können, werden diese bereits zuvor beschlagnahmt. Die Voraussetzungen für die Beschlagnahme ergeben sich aus der Strafprozessordnung (§§ 111b ff. StPO), wobei beispielsweise zwischen beweglichen und unbeweglichen Sachen unterschieden wird.
Die Entscheidung über die Einziehung erfolgt im Normalfall erst im Rahmen der Hauptverhandlung.
Den Grundfall der Einziehung ist in § 73 StGB geregelt. Dafür muss eine rechtswidrige Tat nachgewiesen sein, damit die Einziehung gerichtlich angeordnet werden kann.
Ist dies nicht der Fall, wie im Rahmen der Großrazzia in Hamburg wegen der Fahrräder, scheitert die Einziehung an dieser Voraussetzung. Die Folge ist, dass der ursprüngliche Zustand wieder hergestellt wird – der Zustand vor der Beschlagnahme – und damit eine Rückgabe an denjenigen, von dem eingezogen wurde, erfolgt.
Die Kosten-Nutzen-Abwägung kann dabei zu unsachgerechten Ergebnissen führen, sodass die Begehung einer Straftat finanziell attraktiv ist, selbst wenn es teilweise zu einer Verurteilung kommt.
In diesen Fällen sorgt die präventive Gewinnabschöpfung dafür, dass sich Verbrechen dennoch nicht lohnen und der Gewinn auf andere Weise dem mutmaßlichen Täter vorenthalten bleibt.
Kann ich die Sachen trotz präventiver Gewinnabschöpfung zurückbekommen?
Das Konzept der präventiven Gewinnabschöpfung weist noch einige Lücken auf, welche die Herausgabe der sichergestellten Gegenstände ermöglicht. Darüber hinaus muss sich die Gewinnabschöpfung innerhalb der gesetzlichen Grenzen bewegen.
Mit Hilfe anwaltlicher Unterstützung kann eine geeignete Strategie entwickelt werden, um zu einer Rückerlangung zu kommen.
Empfehlenswert ist die frühzeitige Kontaktaufnahme zu einem Anwalt, um entweder eine Sicherstellung vermeiden zu können oder die größtmöglichen Chancen für eine erfolgreiche Herausgabe zu gewinnen.
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