Verbotsirrtum
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Kann man bestraft werden, wenn man nicht wusste, dass das Verhalten verboten ist? Wann handelt man ohne Unrechtsbewusstsein und wann ist ein Irrtum über das Verboten sein der Tat unvermeidbar?
Die Vorschriften des Strafgesetzbuches sind komplex und für den juristischen Laien nicht ohne Weiteres zu verstehen. So kommt es häufig vor, dass Täter in Bezug auf die Strafbarkeit ihres Verhaltens Irrtümer unterliegen. Die Strafrechtslehre kennt verschiedene Arten von Irrtümern, die es zu kennen gilt. Diese Irrtümer können verschiedene Auswirkungen auf die Möglichkeit einer Bestrafung sowie die Strafhöhe haben.
Einer dieser Irrtümer ist der sogenannte Verbotsirrtum.
Kann ich bestraft werden, wenn ich nicht wusste, dass mein Verhalten verboten ist?
Ein Verbotsirrtum liegt vor, wenn der Beschuldigte über die Widerrechtlichkeit seiner Handlung irrt. Der Verbotsirrtum ist in § 17 StGB (Strafgesetzbuch) geregelt.
Danach ist für das Vorliegen eines Verbotsirrtums erforderlich, dass dem Beschuldigten bei Begehung der Tat die Einsicht fehlt, Unrecht zu tun.
Das wiederum ist dann der Fall, wenn der Beschuldigte
- die Verbotsnorm (also das Strafgesetz) nicht kennt,
- sie für ungültig hält oder
- aufgrund einer falschen Auslegung der Norm das verbotene Verhalten als rechtlich zulässig ansieht.
Der Beschuldigte handelt also zwar vorsätzlich, irrt aber über das Verboten sein seines Handelns.
Wenn der Beschuldigte über die Existenz eines Rechtfertigungsgrunds irrt oder einen bestehenden Rechtfertigungsgrund zu weit ausdehnt, so wird dieser Verbotsirrtum auch Erlaubnisirrtum genannt. Hier weiß man also, dass das Verhalten eigentlich verboten ist, hält es aber für ausnahmsweise erlaubt.
Ein Verbotsirrtum liegt zum Beispiel vor, wenn der Täter meint, dass er eine von einem anderen verlorene Sache an sich nehmen darf, um sie zu behalten. Dieses Verhalten ist jedoch grundsätzlich nach § 246 StGB als Unterschlagung strafbar.
Ein Verbotsirrtum kann übrigens bei sogenannten Unterlassungsdelikten (wenn das Unterlassen einer gebotenen Handlung bestraft wird) auch dergestalt vorliegen, dass man sich rechtlich darüber irrt, dass man hätte handeln müssen. Man spricht dann auch von einem „Gebotsirrtum“.
Für das Vorliegen von Unrechtsbewusstsein muss der Beschuldigte nicht die konkrete Rechtsnorm kennen, nach der sein Verhalten strafbar ist. Es reicht aus, dass er wusste, Unrecht zu tun. Wenn er also weiß, dass er gegen Vorschriften verstößt, auch wenn er diese im Detail nicht kennt, kann sein Unrechtsbewusstsein bereits bejaht werden.
Was ist die Konsequenz, wenn ich nicht wusste, dass mein Handeln strafbar war?
Dies ist in § 17 StGB geregelt. Die Folge des Verbotsirrtums hängt demnach davon ab, ob der Irrtum für den Beschuldigten vermeidbar war oder nicht.
Bei Unvermeidbarkeit des Irrtums lässt dieser die Schuld des Beschuldigten entfallen. Das bedeutet, dass der Beschuldigte für die (eigentlich) strafbare Handlung nicht bestraft werden kann, da ihm die Handlung nicht vorwerfbar ist. Der Beschuldigte ist in diesem Fall freizusprechen bzw. das Strafverfahren einzustellen (abhängig davon, in welchem Stadium des Strafverfahrens man sich befindet).
War der Irrtum hingegen für den Beschuldigten vermeidbar, so bleibt die Schuld bestehen und er kann wegen des strafbaren Verhaltens verurteilt und bestraft werden. Allerdings kann der Verbotsirrtum auf Ebene der Bemessung der Höhe der Strafe berücksichtigt werden und dazu führen, dass die Strafe gemildert wird. Ob die Strafmilderung angewendet wird, liegt dann im Ermessen des Gerichts. Ein Strafverteidiger wird in diesem Fall gerade ein Augenmerk darauf legen, dem Gericht die für eine Strafmilderung sprechenden Gründe darzulegen.
Wann ist der Irrtum über das Verboten sein meines Verhaltens vermeidbar?
Das ist dann der Fall, wenn das Unrecht für den Täter wie für jedermann leicht erkennbar war oder wenn sich der Täter mit den einschlägigen Vorschriften nicht bekannt gemacht hat, obwohl er dazu verpflichtet gewesen wäre. Es wird danach gefragt, ob der Täter auf Grund seiner sozialen Stellung, der individuellen Fertigkeiten und des ihm zumutbaren Einsatzes seiner Erkenntniskräfte zu einem Unrechtsbewusstsein hätte gelangen können. Wenn der Täter vor der Begehung der Tat Zweifel daran hatte, ob sein Verhalten erlaubt ist, muss er sich Kenntnis darüber verschaffen, ob dies der Fall ist. Wenn keine derartigen Bemühungen stattgefunden haben, war der Verbotsirrtum vermeidbar. An die Unvermeidbarkeit werden hohe Anforderungen gestellt, sodass diese nur sehr selten bejaht werden kann.
Selbst die Einholung eines anwaltlichen Rats führt nicht immer zur Unvermeidbarkeit des Verbotsirrtums. Der Bundesgerichtshof hat 2017 klargestellt, dass sowohl die Auskunftsperson als auch die Auskunft aus der Sicht des Beschuldigten verlässlich sein müssen und die Auskunft selbst einen unrechtsverneinenden Inhalt haben muss (BGH 16.05.2017 – VI ZR 266/16). Wenn diese Voraussetzungen nicht vorliegen, dann ist der Irrtum trotz Einholung eines anwaltlichen Rats nicht unvermeidbar.
Kann ich mich strafbar machen, wenn ich mich nicht über das verboten sein irre, sondern tatsächliche Umstände bei Begehung der Straftat nicht erkenne?
Beim Tatbestandsirrtum irrt sich der Täter über tatsächlich Umstände, welche zu einem Tatbestandsmerkmal gehören. Der Irrtum bezieht sich also auf Tatsachen. Beim Verbotsirrtum hingegen sieht der Täter alle Umstände des Tatbestandes – also den Sachverhalt – richtig, er irrt aber über deren rechtliche Bewertung.
Nähere Informationen zum Tatbestandsirrtum haben wir Ihnen hier zusammengestellt.
Der Erlaubnistatbestandsirrtum bezieht sich auf Konstellationen, in denen der Täter fälschlicherweise annimmt, dass ein Rechtfertigungsgrund vorliegt, der sein Handeln erlaubt. Er irrt dabei über die tatsächlichen Voraussetzungen eines rechtlich anerkannten Rechtfertigungsgrundes.
Beim Erlaubnistatbestandsirrtum irrt der Täter somit über tatsächliche Umstände, während dem Verbotsirrtum eine Fehlvorstellung über rechtliche Wertungen zugrunde liegt.
Mache ich mich strafbar, wenn ich nur irrtümlich denke, mein Verhalten sei strafbar?
Bei einem umgekehrten Verbotsirrtum glaubt der Täter, gegen ein Verbot zu verstoßen, das in Wirklichkeit aber gar nicht existiert. Der Täter nimmt also eine falsche rechtliche Bewertung seiner Handlung vor, indem er zu seinen Ungunsten seine eigene Strafbarkeit infolge der Verkennung der gesetzlichen Regelungen annimmt. Dies wird oft auch als sogenanntes Wahndelikt oder Putativdelikt bezeichnet. Die Rechtsfolgen eines umgekehrten Verbotsirrtums sind nicht gesetzlich geregelt. Da das Verhalten allerdings keinen Straftatbestand erfüllt, kommt eine Bestrafung nicht in Betracht.
Beachten Sie aber: irrt man sich in tatsächlicher Hinsicht darüber, dass man sich strafbar macht; ist das Verhalten also durchaus grundsätzlich strafbar und kann nur aufgrund tatsächlicher Umstände in der konkreten Situation nicht begangen werden (z.B. denkt man, man schießt auf einen Menschen, dabei schießt man auf einen Gartenzwerg), kommt eine Strafbarkeit wegen Versuch der Straftat (und gegebenenfalls wegen fahrlässig begangener Straftat) in Betracht.
Gerade solche Fragen zu Irrtümern können schnell komplex werden. Sie müssen präzise erkannt und rechtlich bewertet werden. Ein erfahrener Anwalt für Strafrecht erkennt solche Konstellationen und wird die Verteidigungsstrategie im konkreten Fall entsprechend danach ausrichten.
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