Verständigung im Strafprozess:
Anwaltliche Hilfe beim Deal nach § 257c StPO
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Was genau bedeutet eine Verständigung im Strafverfahren nach § 257c StPO? Wann ist ein Straf-Deal sinnvoll und welche Risiken bestehen? Wie läuft der Prozess ab und welche Rolle spielt Ihr Anwalt? Erfahren Sie, wie Sie mit einem erfahrenen Strafverteidiger Ihre Chancen auf ein faires Verfahren maximieren können.
Es klingt wie in einem Film: Staatsanwaltschaft, Strafverteidiger und Gericht sitzen zusammen und reden darüber, wie die in Aussicht stehende Strafe des Angeklagten gemildert werden kann im Gegenzug gegen ein Geständnis.
Ganz so wie im Film ist es nicht. Es gibt aber tatsächlich im Strafprozess die Möglichkeit eines „Deals“. Im Gesetz spricht man von „Verständigung“.
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Was ist ein Deal im Strafverfahren?
Ein Deal im Strafverfahren beinhaltet vereinfacht ausgedrückt eine Verständigung der Verfahrensbeteiligten über (in der Regel) die zu verhängende Rechtsfolge für die begangene Tat: ein Geständnis des Angeklagten; im Gegenzug stellt ihm das Gericht eine Ober- und Untergrenze hinsichtlich der drohenden Strafe in Aussicht. Wichtig: Eine genaue Strafe darf nicht in Aussicht gestellt werden.
Auch wenn ein Geständnis in der Regel Teil eines Deals ist, so ist dies nicht zwingend. Der vom Angeklagten zu erfüllende Teil des Deals kann auch in bestimmten Prozesshandlungen liegen, z.B. im Verzicht auf das Stellen eines Beweisantrags, eines Antrags wegen Befangenheit oder die Zusage einer Schadenswiedergutmachung sowie eine Rücknahme der gegen das Urteil eingelegten Berufung.
Genau muss auch nicht zwingend die Vorgabe einer Ober- und Untergrenze der drohenden Strafe seitens des Gerichts Bestandteil des Deals sein. Auch die Anordnung eines Fahrverbots, die Dauer der Sperrfrist bei Entzug der Fahrerlaubnis, die Strafaussetzung zur Bewährung oder die Einstellung des Verfahrens wegen Geringfügigkeit oder die Einstellung des Verfahrens gegen Auflagen und Weisungen können beispielsweise Teil des Deals sein.
Das klingt simpler als es ist. § 257c StPO normiert genau die strengen Anforderungen an einen wirksamen Deal im Strafverfahren.
Die Anforderungen sind deshalb so enorm streng und ihre Einhaltung in besonderem Maße zu achten, da vor allem der verfassungsrechtliche Grundsatz, dass niemand dazu verpflichtet ist, sich selbst zu belasten, eingeschränkt wird.
Deal ist dabei ein umgangssprachlicher Begriff. Die Regelung des § 257c StPO spricht vielmehr von „Verständigung“.
Sinn und Zweck der Möglichkeit eines solchen Deals ist dabei vor allem die Vereinfachung und Beschleunigung des Strafverfahrens.
Wie läuft ein Deal im Strafverfahren ab?
Formell betrachtet obliegt die Entscheidung der Anregung eines Deals jedenfalls dem Gericht, aber grundsätzlich können auch Staatsanwaltschaft und Verteidigung einen Deal anregen.
Der Deal an sich ist dann eine Verständigung zwischen Richter, Staatsanwaltschaft und dem Angeklagten. Ist der Angeklagte anwaltlich vertreten, spricht dementsprechend für den Angeklagten sein Strafverteidiger.
Ein Deal ist nur in der Hauptverhandlung – also der Verhandlung vor dem Strafgericht gegen Ende des Strafverfahrens – möglich.
Im Grunde läuft das Ganze dann so ab, dass das Gericht den Verfahrensbeteiligten einen „Vorschlag“ unterbreitet, wie so ein Deal aussehen könnte. Die Verfahrensbeteiligten sind zu diesem Vorschlag anzuhören und Angeklagter sowie Staatsanwaltschaft müssen dem Deal zustimmen.
Wichtig: Die Zustimmung ist bindend! Sie kann weder angefochten noch zurückgenommen werden. Die Entscheidung, einen Deal anzunehmen sei also wohl überlegt zu sein. Denn auch ein späterer Angriff des Deals z.B. im Wege einer Berufung oder Revision führt nicht zwingend dazu, dass das abgelegte Geständnis nicht für eine Verurteilung weiterhin verwertbar ist.
Wichtig: Trotz Geständnis befreit ein Deal das Gericht nicht von der Pflicht, den Sachverhalt zu erforschen. Die schnelle Beendigung des Strafverfahrens mit einem „Ja, ich war´s“ funktioniert so also nicht. Das Gericht muss trotz Geständnis herausfinden, was passiert ist. Auch ein ausführliches Geständnis muss vom Gericht also überprüft werden.
Das liegt auch daran, dass der Deal sich auf die rechtlichen Folgen für die Tat bezieht, nicht aber auf die Feststellung, dass jemand schuldhaft eine Straftat begangen hat.
Vorteile und Nachteile einer Verständigung im Strafverfahren
Die Verständigung – der Deal – im Strafverfahren hat sowohl Vorteile als auch Nachteile, die es von Fall zu Fall sorgfältig zu beachten und abzuwägen gilt.
Daher empfiehlt es sich, sich als Beschuldigter eines Strafverfahrens rechtlichen Beistand durch einen erfahrenen und spezialisierten Anwalt für Strafrecht zu suchen. Dieser kennt die Rechtslage und kann auch abschätzen, wie sich bestimmte Entscheidungen im Strafprozess auswirken können. Dementsprechend kann Sie ein Strafverteidiger bestmöglich über die Chancen und Risiken eines Deals im Strafverfahren beraten und die Verteidigungsstrategie entsprechend hiernach ausrichten.
Vorteile eines Deals sind insbesondere regelmäßig die verkürzte Verfahrensdauer des Strafprozesses und ein gewisses Maß an Sicherheit betreffend die drohenden Konsequenzen der Verurteilung.
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Welche Risiken gibt es bei einem Deal im Strafverfahren?
Dem stehen jedoch nicht zu unterschätzende Risiken entgegen, weshalb ein besonders bedachtes Vorgehen erforderlich ist.
Wie bereits ausgeführt, ist ein abgelegtes Geständnis ein abgelegtes Geständnis und kann unter Umständen nicht einmal im Wege der Berufung oder Revision wirksam „vernichtet“ werden. Hier pauschale Aussagen zu treffen – kann das Geständnis auch später noch als Beweis verwertet werden oder nicht – ist schwierig und hängt von verschiedenen Umständen ab. Hierzu berät Sie Ihr Strafverteidiger.
Ein weiteres Risiko ist der Verzicht darauf, das Urteil angreifen zu können mittels Berufung oder Revision. Das kann Teil eines Deals sein. Ist der Deal wirksam, so muss man sich darüber bewusst sein, dass man den Deal nun grundsätzlich recht endgültig akzeptieren muss.
Auch muss man sich darüber im Klaren sein, dass das Gericht unter bestimmten Umständen von dem Deal Abstand nehmen kann. Selbst wenn der Deal einmal geschlossen wurde ist es möglich, dass das Gericht nicht mehr an den Deal gebunden ist. Dies ist möglich, wenn sich das Gericht über erhebliche tatsächliche oder rechtliche und für den Deal maßgebliche Umstände geirrt hat, sie also z.B. übersehen hat. Auch kann zu einem Entfall der Bindung führen, wenn das Gericht der Meinung ist, das Prozessverhalten des Angeklagten entspräche nicht dem durch den Deal vereinbarten Verhalten.
Entfällt die Bindung des Gerichts an den Deal gem. § 257c Abs.4 StPO, so darf das Geständnis des Angeklagten nicht verwertet werden.
Welche Rolle spielt der Anwalt beim Deal im Strafprozess?
Der Anwalt spielt eine wichtige Rolle beim Deal im Strafprozess, da er Sie umfassend über die Chancen, Risiken und Sinnhaftigkeit eines Deals beraten kann. Auch über die Gestaltung des Deals (was biete ich dem Gericht an und was bekomme ich im Gegenzug vom Gericht zugesichert?) kann ein Strafverteidiger sie beraten.
Ebenso über die Erfolgsaussichten einer Verständigung (wie wahrscheinlich ist es, dass das Gericht den Deal tatsächlich so umsetzt?) berät Sie Ihr Strafverteidiger. Der Strafverteidiger liefert Ihnen eine strategische Beratung zur Annahme oder Ablehnung eines Verständigungsangebots.
Außerdem ist eine wichtige Aufgabe Ihres Strafverteidigers, sich für die Sicherstellung der Wahrung Ihrer Rechte einzusetzen und zu kontrollieren, dass der Deal rechtskonform und fair abläuft. Ist dies nicht der Fall, kennt der Anwalt Möglichkeiten, diese Fehler zu rügen.
Wann ist ein Deal im Strafverfahren sinnvoll und wann nicht?
Wann ein Deal im Strafverfahren sinnvoll und wann hiervon abzuraten ist, kann nicht pauschal und allgemeingültig beantwortet werden. Das hängt maßgeblich von Ihrer Situation ab. Gerade deshalb empfiehlt es sich, sich professionelle Hilfe von einem erfahrenen und spezialisierten Strafverteidiger zu suchen, der Sie umfassend beraten und eine bestmögliche Verteidigungsstrategie erarbeiten kann.
Kann ein Deal nachträglich angefochten werden? Kann ich mein Geständnis zurücknehmen?
Nein und Ja. Die Zustimmung des Angeklagten zu dem Deal kann weder zurückgenommen noch angefochten werden. Das auf Grundlage des Deals ergangene Urteil kann unter Umständen durch Berufung oder Revision angegriffen werden, allerdings führt dies nicht zwingend dazu, dass das einmal abgegebene Geständnis nicht weiterhin verwertet werden kann.
Gerade deshalb sei die Entscheidung und die Art und Weise des Deals wohl überlegt zu sein.
Praxisbeispiele Deal im Strafverfahren
Der Ablauf des Verfahrens zum Deal im Strafprozess in der Hansestadt Hamburg
Der fünfte Senat des Bundesgerichtshofs hatte mit Beschluss vom 05.08.2015 – 5 StR 255/15 mal wieder über eine Revision zum Thema Verständigung im Strafprozess zu entscheiden.
Das Landgericht Hamburg hatte im Dezember 2014 über einen Angeklagte zu befinden dem bandenmäßiger Handel mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge vorgeworfen wurde. Das Gericht verurteilte den Angeklagten nach einer Verständigung zu einer Haftstrafe von sechs Jahren. Die folgende Revision rügte einen Verstoß der Vorschriften zum „Deal“ im Strafprozess. Der Verteidiger regte dabei eine Absprache an, worauf das Gericht die Verhandlung unterbrach. Im Rahmen der folgenden Verständigung einigten sich der Verteidiger, die Staatsanwaltschaft und das Gericht auf ein Strafmaß zwischen 5 und 7 Jahren gegen eine geständige Einlassung des Angeklagten. Im Rahmen des Gespräches wurden die jeweiligen Argumente zur Beurteilung der Beweislage und der Schwere der Tat ausgetauscht. Nach der erfolgten Verständigung wurde die Verhandlung wieder aufgenommen und das Gericht teilte das Ergebnis des Deals mit.
Entscheidung in der Revision zum Deal
Die rechtliche Grundlage zur Entscheidung stellte die mögliche Verletzung des § 243 IV StPO. Demzufolge teilt der Vorsitzende mit, ob Erörterungen mit dem Gegenstand einer Verständigung stattgefunden haben und was deren wesentlicher Inhalt war. Die Revisionsinstanz legt die Mitteilungspflicht dahingehend aus, dass auch die wesentlichen Ansichten der Gesprächsteilnehmer und Weg zum Ergebnis des Deals offen mitgeteilt werden. Sinn und Zweck ist es, dass nicht ohne den Angeklagten im Hinterzimmer der Strafanspruch des Staates durchgesetzt werden soll. Gemäß § 337 StPO muss das Urteil auf der festgestellten Rechtsverletzung beruhen. Das Revisionsgericht nahm eine wertende Betrachtung des Einzelfalls vor und schloss ein Beruhen mit der Begründung die Verständigung habe auf Wunsch des Verteidigers stattgefunden aus. Die Schwere des Verstoßes sei so gering und die Umstände des Deals transparent.
Es bleibt aber bei dem Grundsatz, dass der Verstoß gegen Transparenz- und Dokumentationspflichten zu einer rechtswidrigen Verständigung führt, die ja folglich Grundlage der Entscheidung wird.
Fazit: minutiöses Einhalten der gesetzlichen Vorschriften für einen wirksamen Deal erforderlich
Die Revision stellt klar, dass eine Verständigung minutiös nach den gesetzlichen Bestimmungen abzulaufen hat. Leider wird die aufgestoßene Tür wieder aufgefangen, in dem eine jeweilige Einzelfallprüfung mit Blick auf die Schwere des Verstoßes erfolgen kann. Ein Deal hat das Ziel das Strafmaß festzusetzen gegen ein Geständnis und eine damit einhergehende Verfahrenserleichterung für das Gericht. Wie nun ein Urteil, dass auf Grundlage der Absprache ergeht, nicht auf dieser beruhen soll, erschließt sich dem Verfasser nicht.
Urteil wirksam trotz fehlender Protokollierung des Deals
Der Bundesgerichtshof entschied im Urteil vom 14. April 2015 – 5 StR 20/15 einen weiteren Fall zum Thema der Verständigung im Strafprozess, besser unter der Überschrift Deal bekannt.
Zusammengefasst ereignete sich der Sachverhalt vor der großen Strafkammer des Landgerichts Bremen, wo sich die drei Angeklagten seit mittlerweile 33 Hauptverhandlungstagen im Verfahren befanden. Der Vorsitzende regte während der laufenden Verhandlung eine Verständigung mit der Staatsanwaltschaft und den Verteidigern an. Die Verhandlung wurde daraufhin unterbrochen und die Verständigung unter Anwesenheit der Berechtigten angesprochen. Im Ergebnis konnte keine Einigung erzielt werden und die Verhandlung wurde ohne Protokollierung des Fehlversuches zur Verständigung fortgesetzt. Am nächsten Prozesstag stellte das Gericht einen Verständigungsvorschlag vor, dem sich im Ergebnis alle Beteiligten angeschlossen haben. In der Revision der Verteidigung wird nun die fehlende Protokollierung des ersten Verständigungsversuches gerügt.
Im Ergebnis hat die Revision keinen Erfolg. Zwar stellt die fehlende Protokollierung einen Verstoß gegen § 243 IV S. 2 StPO da, aber das Urteil „beruht“ nicht auf diesem Fehler. Das Gesetz unterscheidet zwischen relativen und absoluten Revisionsgründen. Bei absoluten Revisionsgründen nach § 338 StPO geht der Gesetzgeber davon aus, dass bei Vorliegen stets ein „Beruhen“ vorliegt. Beruhen meint, dass das Urteil ohne den Gesetzesverstoß anders ausgefallen wäre. Diese Entscheidung ist stets eine hypothetische Betrachtung. Im vorliegenden Fall sprach gegen ein Beruhen, dass die Verständigung in der öffentlichen Verhandlung angekündigt wurde und nach Wiedereintritt kein Ergebnis verkündet wurde, was nur den Schluss des Scheiterns zulässt. Für den Verdacht einer gesetzwidrigen Absprache spricht im Hinblick auf die offene Umgangsweise des Gerichts nichts.
Der vorliegende Fall zeigt abermals die Komplexität im Umgang mit der Verständigung. Die gesetzlichen Regelungen führen immer wieder zu Rechtsunsicherheiten und Anwendungsproblemen. Es bleibt auch die Erkenntnis, dass nicht jeder Formverstoß im Rahmen der Verständigung zu einer erfolgreichen Revision führt. Es ist daher im Einzelfall darzulegen, dass ich der gerügte Verstoß auch auf das Urteil ausgewirkt hat.
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