Fortführung einer
für verfassungswidrig erklärten Partei ( § 84 StGB )
Wann ist eine Partei überhaupt verfassungswidrig? Was ist eine Ersatzorganisation einer für verfassungswidrig erklärten Partei? Ist ein einfaches Mitglied strafbar? Was sind Rädelsführer und Hintermänner?
Schnell zum Inhalt:
Zum Schutz der freiheitlich-demokratischen Grundordnung der Bundesrepublik Deutschland stellt § 84 StGB Tätigkeiten unter Strafe, die dazu bestimmt sind, einen organisatorischen Zusammenhalt einer verbotenen Partei aufrechtzuerhalten.
Um den Schutz der Verfassung – wofür das Bundesverfassungsgericht zuständig ist – nicht den Strafgerichten aufzubürden, hat sich der Gesetzgeber bewusst dazu entschieden, von verfassungswidrigen und nicht verfassungsfeindlichen Parteien zu sprechen. Die Feststellung, dass eine Partei verfassungswidrig ist, obliegt dem Bundesverfassungsgericht. Anknüpfungspunkt für eine Strafbarkeit wegen der Fortführung einer für verfassungswidrig erklärten Partei ist daher das Vorliegen einer vorangegangenen Entscheidung des BVerfG.
Wenngleich es in der Vergangenheit mehrere Eröffnungsanträge und auch einige Verbotsverfahren – insbesondere die NPD-Verbotsverfahren – gab, ist es in der Geschichte der Bundesrepublik erst zwei mal dazu gekommen, dass eine Partei verboten wurde. So wurde 1952 mit der Sozialistischen Reichspartei (SRP) eine Nachfolgepartei der NSDAP verboten und 1956 die Kommunistische Partei Deutschlands (KPD).
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Welche Strafe droht bei der Fortführung einer für verfassungswidrig erklärten Partei?
Die Strafandrohung hängt nach dem Gesetz zunächst davon ab, welchen Anteil der Betroffene an der Fortführung der Partei hat.
Wer als Hintermann oder Rädelsführer – also in der Führungsriege – eine für verfassungswidrig erklärte Partei oder Nachfolgeorganisation fortführt, wird mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren verurteilt.
Wer hingegen nur einfaches Parteimitglied ist oder – ohne Mitglied zu sein – die Partei organisatorisch fördert oder sie unterstützt, dem droht eine Geldstrafe oder eine Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren. Gleiches gilt, wenn jemand einer sonstigen vom Bundesverfassungsgericht erlassenen Sachentscheidung zuwiderhandelt.
Kann die Fortführung einer für verfassungswidrig erklärten Partei straflos bleiben?
In bestimmten Fällen kann das Gericht in seinem Ermessen die Strafe mildern oder sogar ganz davon absehen, wenn die Schuld aufgrund eines untergeordneten Beitrags als gering anzusehen ist (§ 84 Abs.4 StGB).
Dies könnte das Gericht im Einzelfall zum Beispiel in Fällen annehmen, in welchen es zwar eine fördernde Betätigung eines Mitglieds bejaht, diese im Umfang aber eher gering ist (z.B. Plakate kleben). Auch kann das Gericht die Strafe mildern oder sogar ganz davon absehen, wenn sich der Täter im Nachhinein ernstlich darum bemüht, den Fortbestand der Partei zu verhindern (z.B. durch öffentliche Warnungen, aktive Gegenpropaganda). Gelingt es ihm erfolgreich, den Fortbestand zu verhindern, dann bleibt er immer straflos.
Wann macht man sich wegen Fortführung einer für verfassungswidrig erklärten Partei strafbar?
Bei dem Täter muss es sich um einen Hintermann, einen Rädelsführer, ein Parteimitglied oder einen sonstigen Unterstützer handeln und zwar von einer Partei, die entweder
- vom Bundesverfassungsgericht für verfassungswidrig erklärt wurde oder
- durch Feststellung des Bundesverfassungsgerichts eine Ersatzorganisation einer solchen verbotenen Partei ist.
(§ 84 Abs.1 StGB)
Ferner kommt eine Bestrafung bei Zuwiderhandlung gegen bestimmte sonstige Sachentscheidungen des Bundesverfassungsgerichts oder bestimmter vollziehbarer Maßnahmen in diesem Zusammenhang in Betracht.
Was ist eine für verfassungswidrig erklärte Partei?
Die Verfassungswidrigkeit einer Partei kann in Deutschland nur vom Bundesverfassungsgericht festgestellt werden. Dafür gibt es ein spezielles Verfahren in Art. 21 Abs. 2 GG, welches in der Allgemeinheit als das Parteiverbotsverfahren bekannt ist (vgl. auch §§ 13 Nr. 2, 43 ff. BVerfGG). Kommt das Bundesverfassungsgericht am Ende des Verfahrens zu dem Ergebnis, dass die Partei verfassungswidrig ist, dann ergeht in der Entscheidung zugleich der Ausspruch, dass die Partei und alle etwaigen Ersatzorganisationen fortan verboten sind.
Was sind Ersatzorganisationen einer für verfassungswidrig erklärten Partei?
Strafbar ist es auch, wenn man eine vom Bundesverfassungsgericht als Ersatzorganisation festgestellte Partei fortführt. Der Sinn und Zweck liegt hier wohl nahe:
Angenommen, die bereits angesprochene Sozialistische Reichspartei (SRP) hätte ein Jahr vor ihrem Verbot im Jahre 1952 einfach folgendes gemacht: Aus Angst vor dem abzusehenden Verbot wären schon vor der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts ein Großteil der Mitglieder in eine neu gegründete Partei, der Sozialistischen Deutschen Reichspartei (SDRP) neu zusammengetreten. Die innerparteiliche Organisation wäre identisch geblieben, die Parteiprogrammatik wäre eins zu eins übernommen worden.
Dieses kleine Beispiel zeigt, warum auch die Mitgliedschaft in festgestellten Ersatzorganisationen von dem Verbot umfasst sein muss, weil das Verbotsverfahren sonst so leicht umgangen werden könnte.
Was ist ein Rädelsführer und wer ist Hintermann?
Besonders strafwürdig erachtet der Gesetzgeber mit Blick auf die Strafhöhe offensichtlich Rädelsführer und Hintermänner. Unter Rädelsführer versteht man jemanden, der maßgeblichen Einfluss in der Partei hat und der die Ziele der Partei tatsächlich gefördert hat. Insbesondere sollen also die „Drahtzieher“ erfasst werden und zwar unabhängig davon, ob die Tätigkeit langer oder nur vorübergehender Natur war.
Hintermänner sind hingegen solche Personen, die zwar für die Partei nicht minder wesentlich sind, aber eher aus dem Hintergrund heraus handeln und in der Öffentlichkeit nicht unbedingt als das Gesicht der Partei auftreten. In Betracht kommen hier zum Beispiel große finanzielle Förderer der Partei oder Verleger, die Parteipropaganda betreiben.
Ist jedes Mitglied und jeder Unterstützer automatisch strafbar?
Nicht jedes Mitglied oder jeder Unterstützer einer für verfassungswidrig erklärten Partei macht sich automatisch nach § 84 StGB strafbar. Das Gesetz fordert, dass man sich als Mitglied „betätigt“. Im Unterschied zu bloß stillen Mitgliedern auf dem Papier ist es erforderlich, dass fördernde Handlungen unternommen werden, z.B. das Beauftragen von Werbeflyern oder das Zahlen von Propagandamitteln. Ähnliches gilt für den Unterstützer, welcher kein Mitglied ist. Dieser muss unmittelbar oder in erheblichem Umfang die Zwecke der Partei gefördert haben, indem er z.B. auf Dauer angelegt massenhaft Propagandazeitungen verteilt oder über lange Zeit viele Plakate klebt.
Wann wird die Partei durch den Täter „fortgeführt“?
Die sehr weitgehende Überschrift bedeutet zweifelsohne nicht, dass der Täter die Partei allein fortgeführt haben muss. Auch dem Gesetzgeber ist klar, dass Parteien in der Regel nicht von einer Person getragen werden. Nach dem Sinn und Zweck der Vorschrift muss man Fortführen im Sinne von Aufrechterhalten der organisatorischen Ordnung verstehen. Dies ist beispielsweise der Fall, wenn der Täter nach dem Verbotsverfahren bemüht ist, den Zusammenschluss der Mitglieder zu wahren, neue Sympathisanten zu gewinnen und – allgemein gesprochen – seine Tätigkeit im Wesentlichen die Gleiche bleibt.
Gegen welche sonstigen Sachentscheidungen des BVerfG ist die Zuwiderhandlung strafbar?
§ 84 Abs. 3 StGB erweitert die Strafbarkeit auf die Zuwiderhandlung gegen Sachentscheidungen des Bundesverfassungsgerichts und sofort vollziehbare Maßnahmen, welche – neben der Feststellung der Verfassungswidrigkeit und dem Ausspruch des Verbots – noch im Verbotsverfahren erlassen wurden. Denkbar sind insbesondere Einziehungsanordnungen hinsichtlich des Parteivermögens oder Beschlagnahme- oder Einziehungsanordnungen hinsichtlich Parteidokumenten.
Kann ich bestraft werden, wenn ich die Fortführung einer für verfassungswidrig erklärten Partei nur versucht habe, es mir aber nicht gelungen ist?
Eine Strafbarkeit des Versuchs sieht das Gesetz nur im Falle von Absatz 1 vor, d.h. wenn es sich bei der die für verfassungswidrig erklärte Partei oder Ersatzorganisation aufrechterhaltenden Person um Hintermänner oder Rädelsführer handelt.
Ein Versuch liegt im juristischen Sinne vor, wenn der Täter die Tat begehen wollte und bereits unmittelbar angesetzt hat. Was genau unter einem unmittelbaren Ansetzen zu verstehen ist, kann im Einzelfall kompliziert sein und bedarf juristischen Sachverstandes.
Was ist ein Beispiel für die Fortführung einer für verfassungswidrig erklärten Partei?
Der Bundesgerichtshof hatte zum Beispiel folgenden Fall zu entscheiden (BGH 26, 258):
Nach dem Parteiverbot der Kommunistischen Partei Deutschlands im Jahre 1956 arbeiteten die ehemaligen Mitglieder im Untergrund weiter, druckten Flugblätter und betrieben Propaganda. Der U war Unterstützer der inzwischen verbotenen Partei und erteilte einem Druckunternehmen den Auftrag zum massenweisen Druck des Parteiprogramms der verbotenen Partei. Die nicht unerheblichen Druckkosten für die beauftragten gut 55.000 Exemplare zahlte er dabei selbst. Laut BGH handelte es sich dabei aufgrund des erheblichen Umfangs der Förderungshandlung um ein strafbares Unterstützen einer für verfassungswidrig erklärten Partei.
Sollten Sie eine polizeiliche Vorladung als Beschuldigter oder eine Anklage mit dem Vorwurf der Fortführung einer für verfassungswidrig erklärten Partei erhalten haben, sollten Sie zunächst von Ihrem Schweigerecht als Beschuldigter Gebrauch machen und sich dann am Besten so bald wie möglich an einen Anwalt für Strafrecht wenden. Dieser wird Akteneinsicht beantragen und nach Analyse der Ermittlungsakten eine entsprechende Verteidigungsstrategie erarbeiten.
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Hausdurchsuchung wegen Fortführung einer für verfassungswidrig erklärten Partei – Was gilt es zu beachten:
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