Geschäftsmäßige Förderung der Selbsttötung
( § 217 StGB )

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217 StGB, der die geschäftsmäßige Förderung der Selbsttötung unter Strafe stellt, ist verfassungswidrig und das Gesetz damit nichtig. Dieses strafbewehrte Verbot ist nicht vereinbar mit dem Allgemeinen Persönlichkeitsrecht (Art. 2 Abs.1. iVm. Art. 1 Abs.1 GG). So entschied das Bundesverfassungsgericht am 26. Februar 2020.

Der Straftatbestand wurde aber nicht einfach aus dem Strafgesetzbuch entfernt. Noch steht § 217 StGB im Strafgesetzbuch. Lediglich mit einer Bemerkung am unteren Ende der Seite wird auf die Feststellung der Nichtigkeit der Norm durch das Bundesverfassungsgericht verwiesen.

Was bedeutet das also? Ist geschäftsmäßige Förderung der Selbsttötung nun straflos oder nicht?

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Wie hoch ist die Strafe für geschäftsmäßige Förderung der Selbsttötung?

217 StGB sah für die geschäftsmäßige Förderung der Selbsttötung in der Regel eine Geldstrafe oder eine Freiheitsstrafe bis zu 3 Jahren vor.

Wann hat man sich wegen Geschäftsmäßiger Förderung der Selbsttötung strafbar gemacht?

Strafbar nach § 217 StGB war die …

  • Gewährung
  • Verschaffung
  • Vermittlung

einer Gelegenheit zur Selbsttötung, soweit dies von der Absicht der Förderung der Selbsttötung getragen war und gewerbsmäßig geschah.

Absicht bedeutet, dass es dem Handelnden gerade darauf ankommen musste, die Selbsttötung zu fördern.

Die Schaffung einer Möglichkeit zur Selbsttötung genügte aber nicht.

Nahestehende Personen, wie Angehörige, die nicht geschäftsmäßig handelten, und „nur“ Hilfe leisteten zur geschäftsmäßigen Förderung der Selbsttötung oder hierzu eine andere Person anstifteten (den Entschluss zur geschäftsmäßigen Förderung der Selbsttötung also bei jemandem anderen hervorriefen), blieben aber straffrei.

Bevor wir uns mit der Kontroverse rund um § 217 StGB beschäftigen aber erst einmal etwas Grundlegendes vorab:

Welche Arten der Hilfe zum Suizid gibt es? Was davon ist strafbar, und was nicht?

Man unterscheidet zwischen verschiedenen Arten der Hilfe bzw. Förderung von Suizid, abhängig vom dem Grad der Mitwirkung der helfenden Person im Vergleich zu der sterbenden Person.

Zur Klarstellung vorab: Suizid als solcher ist nicht strafbar. Es kommt also im Folgenden nicht darauf an, ob sich nun die gestorbene Person strafbar gemacht hat oder nicht. Hierüber besteht Einigkeit: Suizid ist nicht strafbar.

Diskutiert wird erst dann, wenn eine weitere Person am Sterbeprozess beteiligt ist.

Und hier unterscheidet man …

Beihilfe zum Suizid

Beihilfe zum Suizid ist straflos. Auch das ist im Grundsatz unstreitig. Das liegt nämlich daran, dass man sich wegen Beihilfe nur dann strafbar machen kann, wenn man zu einer Straftat vorsätzlich Hilfe leistet. Suizid ist aber keine Straftat.

Und deshalb fehlt der Bestrafung wegen Beihilfe zum Suizid die Grundlage. Sie ist folglich grundsätzlich straflos.

Aktive Sterbehilfe

Aktive Sterbehilfe hingegen ist strafbar. Das deutsche Strafrecht nennt das Tötung auf Verlangen. Hierfür droht eine Freiheitsstrafe zwischen 6 Monaten und 5 Jahren. Der Unterschied zum „normalen“ (straflosen) Hilfeleisten ist vor allem, dass die sogenannte Tatherrschaft beim Täter (und gerade nicht beim Sterbenden) liegt. Tatherrschaft bedeutet, dass der Täter das Geschehen bildlich gesprochen „in den Händen hält“. Der Täter muss die Tat als eigene wollen, er will also eine andere Person töten. Diesen Willen ermittelt man dann anhand objektiver Umstände, wie beispielsweise das Interesse am Taterfolg (dem Tod). Privilegierender Umstand (der sich in der im Vergleich zu Mord  oder Totschlag milderen Strafandrohung niederschlägt) ist das ernsthafte und ausdrückliche Verlangen des Opfers, getötet zu werden.

Passive Sterbehilfe

Passive Sterbehilfe ist wiederum straflos. Hierunter versteht man die Fälle des Behandlungsabbruchs, also insbesondere der Abbruch lebensverlängernder Maßnahmen (wie beispielsweise der Abbruch künstlicher Beatmung). Der Unterschied zur aktiven Sterbehilfe ist, dass diese – wie die Bezeichnung schon sagt – etwas Aktives ist. Es wird eine Handlung vorgenommen, die für sich selbst – allein – zum Tod führt. Bei der passiven Sterbehilfe wird dem Sterbeprozess seinen Lauf gelassen. Die Abgrenzung kann durchaus schwierig sein. Da passive Sterbehilfe zulässig, aktive Sterbehilfe aber strafbar ist, ist die Abgrenzung aber von sehr hoher Bedeutung. Hier empfiehlt es sich in besonderem Maße professionellen Rat einzuholen – wie den eines Fachanwalts für Strafrecht.

Grundvoraussetzung für die Straflosigkeit ist natürlich, dass die passive Sterbehilfe auf Grund des tatsächlichen oder mutmaßlichen Willens des Patienten geschieht.

Indirekte Sterbehilfe

Auch indirekte Sterbehilfe ist straflos. Indirekte Sterbehilfe ist derjenige Fall, bei dem einer Person schmerzlindernde Medikamente gegeben werden, deren Nebenwirkung der Tod ist. Nebenwirkung bedeutet in diesem Sinne, dass es dem Verabreichenden nicht darauf ankommt, dass die andere Person stirbt, sondern dass sie weniger Schmerzen hat. Dennoch ist er sich darüber bewusst, dass das Verabreichen der Medikamente zum Tod führen wird.

Wichtig ist aber natürlich auch hier, dass dies auf Grund des tatsächlichen oder mutmaßlichen Willens des Patienten geschieht.

Wann ist die Förderung der Selbsttötung geschäftsmäßig?

Von diesen Fallgruppen ist die geschäftsmäßige Förderung der Selbsttötung abzugrenzen. Der kleine aber sehr bedeutende Unterschied ist nämlich die Geschäftsmäßigkeit.

Das war übrigens schon zu Zeiten, in denen § 217 StGB noch galt, eine Diskussion. Der Begriff der Geschäftsmäßigkeit ist nur schwer zu begreifen, wenig bestimmt, und entscheidet in ganz erheblichem Maße über die Frage der Strafbarkeit und der Straflosigkeit. Muss die Förderung der Selbsttötung die hauptberufliche Tätigkeit sein? Reicht es aus, wenn es eine Art Nebenverdienst ist? Was, wenn man Arzt ist? Macht man sich dann immer strafbar?

Nur schwer vereinbar mit dem Grundsatz, dass ein Straftatbestand so bestimmt sein muss, dass jeder verstehen kann, was er darf und was nicht.

Wer kann Täter einer geschäftsmäßigen Förderung der Selbsttötung sein?

Personenkreis adressiert. Da aber nicht nur die Förderung der Selbsttötung, sondern gerade die geschäftsmäßige Förderung der Selbsttötung sanktioniert werden sollte, waren besonders „typische“ Tätergruppen vor allem Ärzte oder Organisationen (z.B. Vereine), die assistierten Suizid unterstützen wollten. Gerade hier zeigten sich auch die Ungenauigkeiten der Strafnorm. Welche Fälle sind strafbar und was ist straflose indirekte oder passive Sterbehilfe?

Wieso ist § 217 StGB verfassungswidrig?

Selbstbestimmtes Leben. Selbstbestimmtes Sterben. Das garantiert uns das Grundgesetz. Und aus diesem Grund verletzt das Verbot geschäftsmäßiger Tötung das Allgemeine Persönlichkeitsrecht, das jedem Grundrechtsträger zugesprochen wird (unter anderem, nicht nur).

Das entschied das Bundesverfassungsgericht am 26.02.2020 (2 BvR 2347/15 in NJW 2020, 905).

Zum allgemeinen Persönlichkeitsrecht gehört die freie Entfaltung der Persönlichkeit. Selbstbestimmtheit. Man soll sein Leben in Selbstbestimmtheit führen und sein Leben in Selbstbestimmtheit beenden können. Das ist zu respektieren. Trotz Lebensschutzes. Und auch unabhängig davon, ob die Person, die sterben möchte, an einer Krankheit leidet oder nicht.

Deshalb ist Suizid und (in der Regel) auch das Hilfeleisten hierzu straflos.

Zum selbstbestimmten Sterben gehört aber auch, dass man sich hierzu die Hilfe anderer Personen sucht und in Anspruch nimmt. Und genau dieses Recht wird verletzt, wenn die geschäftsmäßige Förderung der Selbsttötung unter Strafe gestellt wird. Beispielsweise ein Arzt, der dem Willen seines Patienten, zu sterben, Folge leisten möchte, würde sich sonst wohl faktisch jedenfalls eines Strafverfahrens, gegebenenfalls auch einer Strafe, aussetzen. Das bedeutet, dass der Betroffene faktisch keine Hilfe anderer in Anspruch nehmen kann, um auf eine Art und Weise, die er bestimmt, zu sterben.

Und das ist die Verletzung des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts.

Die Sorge der Normalisierung des Suizids und einem möglichen Ansteigen der Suizide mag möglicherweise begründet sein. Leben ist ein hohes Rechtsgut und muss geschützt werden. Und doch. Das Allgemeine Persönlichkeit, die Menschenwürde und das daraus fließende Recht auf selbstbestimmtes Sterben wiegen schwerer. Haben Vorrang.

Das Bundesverfassungsgericht begründet dies vor allem damit, dass das Recht auf selbstbestimmtes Sterben durch ein Verbot wie es § 217 StGB normiert in ganz erheblichem Maße beeinträchtigt, in einigen Fällen ja geradezu gänzlich ausgehebelt wird. In der Folge müssen die Gründe, die für das Verbot sprechen, umso stärker wiegen. Und das tun sie hier nicht. Vgl. BVerfG, Urteil v. 26.02.2020 – 2 BvR 2347/15 in NJW 2020, 905 Rn.264f.

Man kann sich das im Grunde wie eine Wippe vorstellen. Je mehr Gewicht auf einer Seite liegt, umso mehr Gewicht braucht man auf der anderen Seite, um die Wippe in horizontale Stellung zu bringen. Und diese horizontale Stellung muss der Gesetzgeber beim Schaffen von Gesetzen herstellen.

Das Bundesverfassungsgericht sagt damit nicht, dass der Gesetzgeber keine Regeln zur Einschränkung des assistierten Suizids schaffen darf. Darf er. Jedenfalls die Regel des § 217 StGB war aber zu eng. Die Freiheit auf selbstbestimmtes Sterben darf innerhalb gewisser Grenzen eingeschränkt, aber nicht gänzlich ausgeschlossen werden.  Vgl. BVerfG, Urteil v. 26.02.2020 – 2 BvR 2347/15 in NJW 2020, 905 Rn.338f.

Das Bundesverfassungsgericht betont übrigens auch, dass sich ein Grundrecht auf selbstbestimmtes Sterben nicht gegen Ärzte (oder sonstige Helfende) richtet. Nur weil jemand ein Grundrecht auf etwas hat, kann eine andere Privatperson nicht zur Verwirklichung dieses Rechts gezwungen werden. Der Staat – genauer gesagt der Gesetzgeber – aber schon. Ärzte können aber weiterhin die Unterstützung zum Suizid verweigern. Vgl. BVerfG, Urteil v. 26.02.2020 – 2 BvR 2347/15 in NJW 2020, 905 Rn.289.

217 StGB ist verfassungswidrig – kann ich trotzdem noch wegen geschäftsmäßiger Förderung der Selbsttötung verurteilt werden?

Nein. Das Bundesverfassungsgericht hat § 217 StGB für nichtig erklärt. Diese Entscheidung bewirkt, dass der Straftatbestand – und damit der Umstand, dass das dort beschriebene Verhalten strafbar ist – rückwirkend (!) wegfällt.

Müssen dann jetzt alle Personen, die wegen geschäftsmäßiger Förderung der Selbsttötung bestraft wurden aus Gefängnissen raus gelassen werden?

Im Ergebnis ja. Das Verfahren kann in diesem Fall – selbst wenn schon ein rechtskräftiges (also vom Bürger nicht mehr angreifbares!) Urteil vorliegt – wieder aufgenommen werden (§ 79 BVerfGG). Und einer erneuten Verurteilung fehlt ein Strafgesetz, das das Verhalten unter Strafe stellt, als Grundlage. Ist ein Verhalten nicht strafbar, ist der Angeklagte freizusprechen.

Was sind die Pläne, wie mit der Verfassungswidrigkeit der geschäftsmäßigen Förderung der Selbsttötung umzugehen ist? – Ein Ausblick

Das Bundesverfassungsgericht erklärte § 217 StGB für nichtig und spielte so dem Gesetzgeber den Ball zu (selbst eine neue – verfassungskonforme – Regelung erarbeiten darf das Bundesverfassungsgericht nicht. Das widerspräche dem Grundsatz der Gewaltenteilung).

Dass es einfach bei einer ersatzlosen Streichung des § 217 StGB, ohne Einführung bestimmter Regelungen zum assistierten Suizid bleibt, ist wohl eher unwahrscheinlich. Zumindest arbeiten zahlreiche Politiker daran, eine alternative Lösung zu finden. Das war auch der Appell des Bundesverfassungsgerichts.

Gar keine Regeln zur Hilfe zum Suizid zu haben, ist nicht gewollt. Es soll gesetzliche Regeln geben. So gegensätzlich es auch klingen mag: Lebensschutz und selbstbestimmtes Sterben müssen in Einklang miteinander gebracht werden.

Die Gefahr, die hier Vielen vor Augen schwebt ist nämlich zum Beispiel, dass – insbesondere alte und oder kranke – Menschen, sich in gewisser Weise dazu gedrängt fühlen könnten, sich das Leben zu nehmen, um niemandem Arbeit zu machen. Bei einer – nahezu – grenzenlosen straflosen Hilfe zum Suizid würde dies auch nicht schwer sein.

Man hat also die Sorge, die Hemmschwelle zur Selbsttötung würde beträchtlich sinken. Und zwar so weit, dass nicht sicher ist, ob der Sterbewunsch wirklich ein solcher ist, der aus freier Selbstbestimmung heraus entsteht. Oder zum Beispiel aus gesellschaftlichem Druck heraus.

Diese Ansicht ist aber nicht unbestritten. Es gibt auch Befürworter, einer gänzlichen Straflosigkeit der Hilfe zum Suizid.

Das fundamentale Problem ist also: Es gibt keine festen Regel. Das erzeugt Rechtsunsicherheit. Und Rechtsunsicherheit trägt nicht zur Wahrung von Rechten bei, sondern führt im schlimmsten Fall zu deren Einschränkung, weil Anforderungen vorsichtshalber übererfüllt werden (wie es beispielsweise die Schaffung des § 217 StGB zeigt)

Aber wie kann man dieses Dilemma nun lösen?

Irgendeine Lösung wird es aber geben müssen. Auch wenn das nicht immer einfach ist, wenn Politik, Recht, Medizin, Ethik und gesellschaftsrechtliche Moralvorstellung aufeinanderprallen.

Lösungsansatz Nummer 1 ist natürlich, die Situation so zu lassen, wie sie ist. Mit einem nichtigen § 217 StGB und der Straflosigkeit der geschäftsmäßigen Förderung der Selbsttötung.

Lösungsansatz Nummer 2: Jegliche Mitwirkung an einem Suizid soll strafbar sein. Dass das aber mit der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts kaum vereinbar sein dürfte, liegt relativ offensichtlich auf der Hand.

Anfang 2021 wurden aber auch andere Vorschläge gemacht: Unter anderem ein Gesetzesentwurf für ein „Gesetz zur Regelung der Suizidhilfe“ (Drucksache 19/28691 v. 19.04.2021).

Ein Ansatz, um sicherzustellen, dass die Person, die sterben möchte, dies auch wirklich aufgrund eines freien (selbstbestimmten!) Willensentschlusses tun möchte, ist zum Beispiel ein vorheriges neutrales, objektives – unentgeltliches – Beratungsgespräch bei einer staatlich anerkannten Beratungsstelle.

Der Gesetzesentwurf sieht zudem einen Vorschlag bezüglich eines möglichen Verfahrensablaufs vor. Durch verschiedene Kriterien (wie insbesondere Beratungsgespräche, die innerhalb einer bestimmten Frist vor dem Suizid stattfinden), soll bestmöglich abgesichert werden, dass der Sterbewunsch des Betroffenen tatsächlich Ausdruck seines selbstbestimmten, freien Willens ist. In dem Gesetzesentwurf finden sich auch Vorschriften zu notwendigen ärztlichen Aufklärungsgesprächen und die Möglichkeit für Ärzte, entsprechende Arznei- bzw. Betäubungsmittel zur Selbsttötung zu verschaffen.

 

Die Entwicklung der Situation ist in vielerlei Hinsicht fraglich. Insbesondere, ob und wenn ja welche Regelung zukünftig getroffen wird (wobei dann wiederum die Frage bleibt, ob diese verfassungsgemäß – insbesondere vereinbar mit dem Recht auf selbstbestimmten Sterben – ist), ob dem Gesetzgeber das Ausbalancieren der kollidierenden Rechte gelingt und ob die zu treffende Regelung diejenige Rechtssicherheit schafft, die es – bei solch sensiblen Themen ganz besonders – bedarf.

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