Spucken, Treten, Schubsen –
Körperverletzung auf dem Fußballplatz

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Beim Fußball sind körperliche Grenzüberschreitungen keine Seltenheit. Doch wo verläuft die Grenze zwischen Roter Karte und Strafbarkeit?

Es passierte in der 77. Spielminute. Kurz nach dem Anschlusstreffer für TSG Hoffenheim durch Kramarić kam es bei dem Bundesligaspiel gegen Borussia Mönchengladbach am 13. Spieltag zu einem Skandal. Gladbachs Stürmer Thuram spuckte Hoffenheims Innenverteidiger Posch aus nächster Nähe mitten ins Gesicht. Schiedsrichter Willenborg vergewisserte sich des Vorganges in der sogenannten Review-Area durch wiederholtes Anschauen der Szene, bevor er die Rote Karte zückte. Sportkommentator Reif bezeichnete Thurams Verhalten als „abartig“, in der Presse wurde der Spieler als „Lama“ verspottet.

Umschubsen, Spucken, Tritte in den Brustkorb und ins Wadenbein – beim Fußball geht es teils hart zu

Spektakuläre Fouls wie diese gibt es immer wieder. Dazu reicht ein Blick auf die vergangenen Jahre des deutschen Fußballsports. Am 2. Spieltag (Schalke-Bremen) der laufenden Saison sprintete Innenverteidiger Ozan Kabak in Minute 27 mit so starker Wucht gegen Abwehrspieler Augustinsson, sodass dieser den Ball verlor, zu Boden stürzte und noch mehrfach über den Rasen rollte. Währenddessen spuckte Kabak ihm noch einmal auf den Rücken, bevor er wieder Richtung Spielfeld abdrehte. Am 15. Spieltag (Eintracht Frankfurt-Schalke) der vergangenen Saison sprang Torwart Nübel in der 63. Minute dem Mittelfeldspieler Gaćinović mit Anlauf und ausgestrecktem Bein frontal in den Brustkorb. Dieser erlitt dadurch Blutergüsse, eine schwere Rippenprellung und eine ausgekugelte Schulter als Folge des Sturzes. In der Presse wurde der Akt später als „Kung-Fu-Foul“ beschrieben. Eine noch schwerere Verletzung als Gaćinović erlitt ein Spieler in der Saison 2018 der 4. Kreisklasse während eines Spieles zwischen den Vereinen SC Elite II und FC Can Mozaik II. In der 80. Minute grätschte ihm ein Gegenspieler mit gestrecktem Bein in den Unterschenkel, sodass er einen Waden- und Schienbeindurchbruch erlitt. Darauf folgten eine stationäre Behandlung und acht Wochen Arbeitsunfähigkeit.

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Foto: © Pixabay – pexels.com

Wann sind körperliche Auseinandersetzungen beim Fußballspiel strafbare Körperverletzung?

Nur im letztgenannten Fall kam es im Ergebnis zu einem strafrechtlichen Verfahren. Der Grätscher wurde in einem Berufungsurteil des LG Hannover wegen Körperverletzung zu einer Geldstrafe von 120 Tagessätzen zu je 40 Euro verurteilt (36 Ns 2864 Js 17334/19 (97/19)). Die Revision des Angeklagten wurde vom OLG Celle verworfen (Beschl. v. 30.03.2020, Az.: 2 Ss 20/20*).

§ 223 Abs.1 StGB, der Straftatbestand der Körperverletzung, lautet:

„Wer eine andere Person körperlich mißhandelt oder an der Gesundheit schädigt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.“

Durch den Tritt in der Kreisliga lagen sowohl eine körperliche Misshandlung als auch eine Gesundheitsschädigung vor.

Bei Verletzungen durch Tritte etc. kommen im Rahmen von Fußballspielen jedenfalls zwei Besonderheiten hinzu, die die Annahme einer Körperverletzung häufig erschweren: zum einen die Frage des Vorsatzes und zum anderen die Frage der Einwilligung zur Körperverletzung.

Fußball als Kontaktsportart – keine Strafe wegen Körperverletzung durch Verletzungen beim Fußballspiel?

Körperverletzungen können ausnahmsweise erlaubt, gerechtfertigt, sein. So insbesondere, wenn der oder die Geschädigte in die Körperverletzung eingewilligt hat. Die Frage nach einer solchen Einwilligung und damit Straflosigkeit der Körperverletzung, steht auch bei besonders gefährlichen, dahingehend besonders riskanten, Sportarten im Raum. Dazu gehört wohl auch Fußball.

Der Charakter des Spiels als kampfbetontes Spiel ginge verloren, wenn Spieler in permanenter Zurückhaltung den Ballbesitz oder Torchancen aufgäben, um die Gefährdung von Gegenspielern zu minimieren. Daher wird von konkludenten Einwilligungen aller Spieler in sportlich veranlasste, gesundheitsgefährdende Handlungen ausgegangen, sobald sie das Feld betreten.

Aber Achtung! Das bedeutet nicht, dass man beim Fußball machen kann, was man will und ohne jegliche Strafe davon kommt, wenn es zu Verletzungen von Mitspielern kommt. Lediglich besonders typische Verletzungen, Unfälle, die quasi in der Natur des Fußballspiels liegen, können unter Umständen dadurch gerechtfertigt sein, dass man als Spieler dieses Risiko willentlich und bewusst eingegangen ist.

Diese Grenze ist jedenfalls dann überschritten, wenn keine spielerischen Motive mehr verfolgt werden und die Verletzungen schwerer wiegen.

Das Korrektiv der Sozialadäquanz der Behandlung greift zum Beispiel in dem oben genannten Beispiel bei dem Kreisligaspieler gerade nicht. Zwar ist beim Kontaktsport Fußball mit spielbedingten Tritten zu rechnen, aber alle Umstände sprachen beim Kreisligaspieler gegen eine noch „angemessene“ Behandlung im Sinne eines wettkämpferischen Spiels. Unter anderem war der Ball für den Spieler völlig unerreichbar, als er zutrat. Der ausgeführte Tritt war außerhalb jeder Verhaltenserwartung beim Fußball. Beim Tritt des Torwarts Nübel greift das Korrektiv der Sozialadäquanz schon eher, schließlich zielte dieser mit seinem Fuß auf den Ball, der sich im entscheidenden Moment auf Schulterhöhe Gaćinović befand. Eine Gesundheitsschädigung stellte der Tritt Nübels dennoch durch die Folgen der Blutergüsse, Rippenprellung und bei der Schulter dar.

Fazit: Auch Gerangel beim Fußballspiel kann eine strafbare Körperverletzung sein.

Vorsätzliche Körperverletzung beim Fußballspiel: Abgrenzung zwischen bewusster Fahrlässigkeit und billigendem Inkaufnehmen

Das LG Hannover sah das Vorliegen des Vorsatzes beim trittwütigen Kreisklassenspieler als erwiesen an. Für Vorsatz ist zumindest ein billigendes Inkaufnehmen erforderlich. Dieses ist gegeben, wenn der Täter sich nach seiner inneren Haltung mit der Verwirklichung der Gefahr abfindet. Abzulehnen ist dies, wenn der Täter ernsthaft darauf vertraut, dass nichts passieren wird. Im vorliegenden Fall sprachen alle Umstände – der Ball war weit entfernt, der Angeklagte war durch das Unterliegen seiner Mannschaft in frustrierter Stimmung, der gezielte Tritt erfolgte mit großer Kraft und die Verletzung war dementsprechend schwer – für einen Vorsatz.

Schwierigkeiten bei der Annahme des Vorsatzes würden beispielsweise beim „Kung-Fu-Tritt“ von Torwart Nübel bestehen. Nübel sprintete dem mit dem Ball auf den Torraum zustürmenden Gaćinović entgegen. Im Moment der Kollision befand sich der Ball in etwa auf der Schulterhöhe von Gaćinović, sodass alles dafür spricht, dass Nübel gar nicht vorhatte, dessen Brustkorb zu treffen. Wenn auch in seiner Härte und Verletzungsfolge atypisch, steht der Tritt Nübel damit exemplarisch für unzählige Situationen im kontaktfreudigen Fußballsport, bei denen Körperverletzungen nur fahrlässig anstatt vorsätzlich verübt werden.

Strafe wegen Beleidigung durch Anspucken eines Mitspielers beim Fußball

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) kann das Anspucken einer Person eine körperliche Misshandlung (und damit eine Körperverletzung) darstellen, wenn über Ekelgefühle hinaus etwa körperliche Auswirkungen wie ein Brechreiz beim Opfer auftauchen (vgl. BGH 3 StR 289/15). Weder im Fall des Spielers Thuram noch bei Kabak waren solche Folgen ersichtlich. Vielmehr kommt bei einem Anspucken in solchen Situationen durch die damit zum Ausdruck gebrachte Missachtung eine Beleidigung gem. § 185 StGB in Betracht – wie auch bei nicht selten zu beobachtenden ausgestreckten Mittelfingern und Beschimpfungen auf den Spielfeldern.

Durch Sportgerichtsbarkeit und Antragserfordernis bei einfacher Körperverletzung kommt es selten zu Strafverfahren

Doch selbst, wenn Körperverletzungen oder Beleidigungen vorliegen, kommt es nur selten zu Strafverfahren vor staatlichen Gerichten. Da es sich bei der einfachen Körperverletzung und bei der Beleidigung um sogenannte Antragsdelikte handelt, hängt das Tätigwerden von Staatsanwaltschaft und Strafgerichten teils bis ganz von der Initiative der geschädigten Spieler ab. Anders ist dies nur bei der gefährlichen Körperverletzung (§ 224 StGB), wo die Einleitung eines Strafverfahrens nicht zur Disposition geschädigter Spieler steht. So lag es beim Fall des Trittes in der Kreisliga.

Ansonsten verlassen sich die Spieler genau wie ihre Vereine in der Regel auf private Gerichtsbarkeiten wie dem DFB-Sportgericht. Die Satzung des Deutschen Fußballbundes schreibt Mitgliedern in § 14 vor, dass sämtliche Streitigkeiten im Zusammenhang mit der Mitgliedschaft und anderen Vereinen grundsätzlich nicht vor ein ordentliches Gericht zu bringen sind, sondern den zuständigen Verbandsorganen vorgelegt werden müssen. Auch kann der DFB-Kontrollausschuss Ermittlungen einleiten und Strafanträge an das Sportgericht stellen. Vereine und Mitglieder unterwerfen sich den Entscheidungen.

Für den Stürmer Thuram hieß das konkret eine Geldstrafe in Höhe eines Monatsgehalts sowie eine Sperre von sechs Spielen. Kabak musste 15.000 Euro zahlen und wurde für vier Pflichtspiele gesperrt. Nübel wurde zu einer Geldstrafe von 12.000 Euro verdonnert. Vier Spiele lang durfte er zudem nur vom Spielrand aus zuschauen. Und der Kreisligaspieler wurde für ein Jahr von einem Sportgericht gesperrt. Die Geldstrafe in dem parallelen Verfahren vor dem LG Hannover führte bei ihm zu einem Eintrag in das Bundeszentralregister (Führungszeugnis).

Schlägerei zwischen Fans – welche Strafen drohen?

Nicht nur auf dem Spielfeld selbst geht es zum Teil hart zu. Auch kommt es zu körperlichen Auseinandersetzungen zwischen den Fans. Den Fans, die vielleicht nur die Ehre ihres Vereins verteidigen wollten, drohen dann vor allem Strafverfahren und gegebenenfalls (bundesweite) Stadionverbote.

Strafrechtlich stehen bei Prügeleien zwischen den Fans regelmäßig Vorwürfe wie Körperverletzung, gefährliche Körperverletzung (durch gemeinschaftliche Körperverletzung), Beteiligung an einer Schlägerei, Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte, tätlicher Angriff auf Vollstreckungsbeamte (insbesondere wenn Polizisten angegriffen werden) und tätliche Beleidigung im Raum.

Es drohen Geldstrafen, aber auch Freiheitsstrafen.

Welcher Vorwurf genau Ihnen gegenüber Bestand haben kann, lassen Sie am besten von einem erfahrenen und spezialisierten Anwalt für Strafrecht prüfen.

Mit dem Ziel, künftig solche Gefahren in Gestalt von körperlichen Auseinandersetzungen zu verhindern, verhängen die Vereine dann zum Teil Stadionverbote gegen die beschuldigten Fans. Das trifft viele Fans besonders hart. Auch gegen Stadionverbote kann man aber grundsätzlich vorgehen. Gerade wenn das Strafverfahren möglicherweise sogar bereits eingestellt wurde, wird das Unverständnis über das weitere Verbot, vor Ort seinen Verein anzufeuern, groß. Wenden Sie sich daher am besten an einen Anwalt für Stadionverbote, der Ihnen sagen kann, wie nun noch vorgegangen werden kann und welche Argumente dem Verein gegenüber stichhaltig in Ihrem Fall geltend gemacht werden können, um die Aufhebung des Stadionverbots noch erreichen zu können.

Nähere Informationen zum Stadionverbot haben wir Ihnen hier zusammengestellt.

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