Verstoß gegen ein Vereinigungsverbot
( § 85 StGB )
Wann wird eine Vereinigung verboten? Ist es ein strafbarer Verstoß gegen ein Vereinigungsverbot, wenn man eine neue ähnliche Organisation aufbaut? Macht sich jedes Mitglied einer verbotenen Vereinigung strafbar?
Schnell zum Inhalt:
Mit der Strafandrohung des § 85 StGB bezweckt der Gesetzgeber, die freiheitlich-demokratische Grundordnung vor Gefahren zu schützen, die damit einhergehen, wenn bestimmte Vereinigungen trotz ihres Verbotes aufrechterhalten werden.
Um den Schutz der Verfassung nicht den Strafgerichten aufzubürden, hat sich der Gesetzgeber bewusst dazu entschieden, die Strafbarkeit davon abhängig zu machen, dass bereits zuvor über die Verfassungsfeindlichkeit entschieden wurde. Der § 85 StGB ist weitgehend parallel zur Vorschrift des § 84 StGB ausgestaltet, welcher die Fortführung einer für verfassungswidrig erklärten Partei bestraft. Anders als § 84 StGB, bei welchem es um Parteien geht, deren Verfassungsfeindlichkeit vom Bundesverfassungsgericht festgestellt werden muss, sind hier insbesondere Ersatzorganisationen umfasst. Über die Eigenschaft als Ersatzorganisation wird hier im Verwaltungsverfahren entscheiden.
Die praktische Bedeutung der Regelung fällt in der Praxis sehr unterschiedlich aus. Soweit die Vorschrift an Ersatzorganisationen von verbotenen Parteien anknüpft, hat sie aktuell praktisch überhaupt keine Bedeutung, da es in der Bundesrepublik das letzte mal 1956 dazu gekommen ist, dass eine Partei (die KPD) vom Bundesverfassungsgericht verboten wurde. Anders dürfte allerdings die praktische Relevanz hinsichtlich Ersatzorganisationen sonstiger verbotener Vereinigungen zu beurteilen sein. So kam es in den letzten Jahren z.B. vermehrt zum Verbot von rechtsextremen oder islamistischen Organisationen.
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Welche Strafe droht für den Verstoß gegen ein Vereinigungsverbot?
Die Strafandrohung ist insbesondere vom Anteil des Betroffenen an der Tat abhängig.
Hintermänner und Rädelsführer werden für den Verstoß gegen ein Vereinigungsverbot im Sinne des § 85 StGB mit einer Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.
Wer eine Vereinigung oder Organisation in diesem Sinne organisatorisch fördert oder unterstützt und dabei lediglich „einfaches“ Mitglied, oder gar kein Mitglied, ist, kann grundsätzlich mit einer Geldstrafe oder einer Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren bestraft werden.
Kann ein Verstoß gegen ein Vereinigungsverbot straflos bleiben oder ist eine mildere Strafe möglich?
Das Gericht kann – muss aber nicht – gemäß § 85 Abs. 3 StGB die Strafe mildern oder davon absehen, wenn der Mitwirkungsbeitrag oder die Schuld von den Richtern als nur gering angesehen wird. Wann solche Fälle vorliegen können, muss das Gericht stets im Einzelfall beurteilen. In Betracht kommen aber nur geringwertige Unterstützungshandlungen wie das kurzzeitige Verteilen von Werbeflyern.
Darüber hinaus ist eine Milderung oder ein Absehen von Strafe möglich, wenn sich der Täter im Nachhinein ernstlich darum bemüht, den Fortbestand der Organisation zu verhindern (z.B. durch Drucken von gegen die Organisation gerichteten Aufklärungsheften). Schafft er es sogar, den Fortbestand zu verhindern, dann bleibt dem Gericht noch nicht einmal Ermessen und er bleibt immer ohne Strafe.
Benötige ich einen Rechtsanwalt, wenn mir ein Verstoß gegen ein Vereinigungsverbot vorgeworfen wird?
Eine Verurteilung wegen einem Verstoß gegen ein Vereinigungsverbot kann für den Betroffenen schwerwiegende Folgen mit sich bringen, bis hin zu Verurteilungen zu nicht unerheblichen Freiheitsstrafen. Die Hinzuziehung eines Rechtsanwaltes ist in solchen Fällen in besonderem Maße zu empfehlen.
Gerade bei Delikten, welche in der Praxis nicht so häufig vorkommen, ist der Beistand durch einen Fachanwalt für Strafrecht jedoch ratsam.
Was ist ein strafbarer Verstoß gegen ein Vereinigungsverbot?
Die amtliche Überschrift des § 85 StGB „Verstoß gegen ein Vereinigungsverbot“ gibt dem Leser bereits eine grobe Vorstellung, welches Verhalten unter Strafe gestellt wird. Allerdings kommt es hier auf die kleinen Details an.
Bei dem Täter muss es sich um
- einen Hintermann,
- einen Rädelsführer,
- ein Mitglied oder
- einen sonstigen Unterstützer
handeln und zwar von einer
- „Partei oder Vereinigung, von der im Verfahren nach § 33 Abs. 3 des Parteiengesetzes unanfechtbar festgestellt ist, dass sie Ersatzorganisation einer verbotenen Partei ist, oder“
- „Vereinigung, die unanfechtbar verboten ist, weil sie sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder gegen den Gedanken der Völkerverständigung richtet, oder von der unanfechtbar festgestellt ist, dass sie Ersatzorganisation einer solchen verbotenen Vereinigung ist.“
(§ 85 Abs.1 Nr.1, Nr.2 StGB)
Wann ist eine Partei oder Vereinigung „Ersatzorganisation“? Wann richtet sich eine Vereinigung gegen die „verfassungsmäßige Ordnung“ oder gegen den „Gedanken der Völkerverständigung“?
Die Verfassungswidrigkeit einer Partei kann in Deutschland nur vom Bundesverfassungsgericht in einem speziellen Verfahren nach Art. 21 Abs. 2 GG festgestellt werden, welches in der Allgemeinheit als das Parteiverbotsverfahren bekannt ist (vgl. auch §§ 13 Nr. 2, 43 ff. BVerfGG). Anders liegt es aber bei den vorliegenden Parteien und Vereinigungen. Weil mit dem Parteienverbot automatisch ein Verbot für Ersatzorganisationen ausgesprochen wird, wäre es unpraktikabel, jedes mal das Bundesverfassungsgericht anzurufen und entscheiden zu lassen, ob es sich im jeweiligen Einzelfall nun um eine Ersatzorganisation handelt. Die Feststellung der Eigenschaft als Ersatzorganisation unterliegt daher Verbotsverfügungen im Verwaltungsverfahren (§ 33 Abs. 3 PartG i.V.m § 8 Abs. 2 VereinsG).
Unter Vereinigungen versteht der Gesetzgeber jeden tatsächlichen Zusammenschluss mehrerer Personen für eine gewisse Dauer, bei welchem die Mitglieder zur Durchsetzung eines gemeinsamen Ziels in eine gewisse organisatorische Beziehung treten und sich einer Willensbildung unterwerfen. Kurz gesagt: Es handelt sich in der Regel um Vereine.
Auch insoweit ist das verwaltungsrechtliche Verfahren maßgeblich. Notwendig ist also eine unanfechtbare Entscheidung der Verwaltungsinstanzen über das Verbot der Vereinigung. Ein solches Verbot kommt insbesondere dann in Betracht, wenn die Vereinigung sich die Abschaffung der freiheitlich-demokratischen Grundordnung der Bundesrepublik Deutschland zum Ziel gesetzt hat oder wenn sie aufgrund von ausländerfeindlichen, antisemitischen oder rassistischen Beweggründen potentiell auswärtige Beziehungen beschädigen könnten.
Neben Ersatzorganisationen von Parteien sind auch Ersatzorganisationen sonstiger für verboten erklärter Vereinigungen von der Strafbarkeit des § 85 StGB umfasst.
Was sind Ersatzorganisationen einer verbotenen Partei oder Vereinigung?
Eine Ersatzorganisation ist dann zu bejahen, wenn die Vereinigung durch Neugründung die Ziele der verbotenen Partei oder Vorgängervereinigung weiterverfolgt. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn sie in der Art ihrer Betätigung, in der Verfolgung ihrer Ziele, nach den in ihr wirksamen Kräften, nach dem Kreis der von ihr Angesprochenen, nach der Haltung ihrer Anhänger die verbotene Vereinigung zu ersetzen bestimmt ist und an deren Stelle deren verfassungsfeindliche Bestrebungen wie früher weiterverfolgt oder weiterverfolgen will.
Der Neugründung einer Ersatzorganisation wird es gleichgestellt, wenn eine zum Zeitpunkt des Verbots bestehende andere Organisation unterwandert wird, um die Ziele der verbotenen Partei oder Vereinigung fortzusetzen.
Ein Beispiel für eine Ersatzorganisation einer verbotenen Vereinigung stellt die Organisation „Tauhid Germany“ dar. Nach Ansicht der Behörden handelte es sich dabei um eine Ersatzorganisation der „Millatu Ibrahim“ dar. Bei der Vereinigung Millatu Ibrahim handelte es sich um eine salafistische Organisation, welche Kontakte zum Islamischen Staat (IS) pflegte und am 29.05.2012 wegen Gefährdung der verfassungsmäßigen Ordnung und Verstoßes gegen den Gedanken der Völkerverständigung durch den damaligen Bundesinnenminister Friedrich verboten wurde.
Was ist ein Rädelsführer und wer ist Hintermann?
Der Gesetzgeber sieht eine besonders hohe Strafe für die Rädelsführer und Hintermänner vor, die eine verbotene Vereinigung aufrechterhalten.
Gemein haben beide Personen, dass ihr Einfluss auf die Aufrechterhaltung der Vereinigung beträchtlich ist und eine Fortsetzung ohne sie kaum denkbar wäre. Während der Rädelsführer jedoch derjenige ist, der nach außer erkennbar zur Führungsriege gehört und quasi als „Gesicht“ der Bewegung auftritt (z.B. Vereinsvorsitzender), handelt der Hintermann aus dem Hintergrund heraus und wird in der Öffentlichkeit nicht einmal unbedingt mit der Vereinigung assoziiert (z.B. Großspender oder Zeitungsverleger).
Ist man als Mitglied oder Unterstützer immer strafbar?
Nein. Nicht jedes Mitglied und nicht jeder Unterstützer muss automatisch mit einer Strafe rechnen. Das Gesetz setzt voraus, dass man sich als Mitglied oder Unterstützer „betätigt“. Danach sind also Handlungen erforderlich, die den Zweck der Vereinigung aktiv fördern. Dieser Wertung folgend ist zum Beispiel das bloß auf dem Papier zugehörige, sich aber nicht engagierende Mitglied nicht strafbar, während der nicht Mitgliederbeitrag zahlende Unterstützer strafbar ist, wenn er massenhaft Propagandaplakate klebt.
Wann wird die Organisation „aufrechterhalten“?
Die sehr weitgehende Überschrift der Regelung bedeutet zweifelsohne nicht, dass der Täter die Organisation allein fortgeführt haben muss. Dies liegt schon in der Natur einer Partei oder Vereinigung, die gerade nicht von einer einzigen, einzelnen Person getragen werden.
Im Hinblick auf den Schutzzweck des Straftatbestandes fallen unter das Aufrechterhalten einer solchen Organisation hingegen solche Handlungen, die das Beibehalten der organisatorischen Ordnung fördern. Beispiele hierfür sind das Wahren des Zusammenschlusses zwischen Mitgliedern einer neu gegründeten Ersatzorganisation, das Gewinnen von neuen Sympathisanten oder auch das Binden von Unterstützern der Vorgängerorganisation an die neue Organisation.
Kann ich bestraft werden, wenn ich den Verstoß gegen das Vereinigungsverbot nur versucht habe, es mir aber nicht gelungen ist?
Für die Beantwortung der Frage kommt es auf den Umfang der eigenen Beteiligung an. Der Gesetzgeber ordnet die Strafbarkeit des Versuchs nur an, wenn es sich um Hintermänner oder Rädelsführer handelt. Bloße Mitglieder oder Unterstützer bleiben hingegen straflos, wenn die Aufrechterhaltung nicht gelingt.
Wann ein Versuch im rechtlichen Sinne vorliegt, kann nicht für jeden Einzelfall passend beantwortet werden. Im Allgemeinen muss der Täter die Tat begehen wollen und unmittelbar angesetzt haben. Dies kann jedoch in der Praxis zur großen Problemen bei der Beurteilung und rechtlichen Einordnung führen. Diesbezüglich ist es zu empfehlen, sich fachkundigen Rat eines Fachanwalts für Strafrecht einzuholen.
Was ist ein Beispiel für ein Verstoß gegen ein Vereinigungsverbot?
Ein aktuelles Beispiel stellt das Verhalten von Funktionären und Mitgliedern der Vereinigung „Geeinte deutsche Völker und Stämme“ dar. Laut Auskunft des Bundesamtes für Verfassungsschutz handelt es sich bei der Vereinigung um einen gewaltbereiten und konfrontativ auftretenden Zusammenschluss von sog. „Reichsbürgern“. Sie fielen u.a. wiederholt aufgrund von aggressivem Auftreten sowie Beleidigungen und Bedrohungen gegenüber Angehörigen des öffentlichen Dienstes auf, bei welchen sie die Legitimität der Personen und der Bundesrepublik im Allgemeinen in Abrede stellten. Im März 2021 wurde die Vereinigung durch den damaligen Bundesinnenminister Seehofer verboten. Das Verbot wurde insbesondere mit schweren Verstößen gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung, Rassismus, Antisemitismus und Geschichtsrevisionismus begründet. Trotz des Verbotes setzten die „Geeinten deutschen Völker und Stämme“ ihre bundesweiten Aktivitäten fort, Funktionäre hielten weiter „Seminare“ und „Vortragsveranstaltungen“ ab. Im Mai 2022 erfolgten sodann aufgrund zahlreicher Ermittlungsverfahren wegen Verstößen gegen ein Vereinigungsverbot mehrere Polizeieinsätze in mehreren Bundesländern.
Bei den „Geeinten deutschen Völkern und Stämmen“ handelt es sich um eine Vereinigung im Sinne von § 85 Abs. 1, Nr. 2 StGB, welche durch den Bundesinnenminister unanfechtbar verboten wurde, weil sie sich mit ihrer Reichsbürger-Gesinnung gegen die verfassungsmäßige Ordnung der Bundesrepublik Deutschland richtet. Da sowohl führende Funktionäre als auch Mitglieder trotz des Verbots den organisatorischen Zusammenhalt der Vereinigung aufrechterhielten, droht ihnen eine Freiheitsstrafe von bis zu 5 bzw. 3 Jahren oder eine Geldstrafe.
Es ist davon auszugehen, dass die praktische Bedeutung von § 85 StGB in den nächsten Jahren womöglich noch steigen könnte. Zwar ist der Anwendungsbereich hinsichtlich Ersatzorganisationen verbotener Parteien sehr begrenzt. Allerdings dürfte sich der Anwendungsbereich hinsichtlich der verbotenen sonstigen Vereinigungen ausweiten. Insbesondere vor dem Hintergrund der stärkeren Bekämpfung der sog. „Reichsbürger-Szene“ könnten dort aktive Personen verstärkt mit dem Vorwurf des Verstoßes gegen ein Vereinigungsverbot konfrontiert werden.
Weil es sich aber um eine Regelung handelt, welche auch bei den Ermittlungsbehörden nicht auf der alltäglichen Tagesordnung steht, ist es umso wichtiger, dass man sich mit den Details und der Komplexität der Regelung auskennt. Hierzu ist spezifischer Sachverstand eines Fachanwalts für Strafrecht erforderlich. Dieser ist in der Lage, auch komplexere Sachverhalte zu erfassen, rechtlich einzuordnen und den Mandanten bestmöglich zu beraten.
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